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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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Ich gestehe, meine Neugier ist geweckt. Er wirkt in dieser Gesellschaft fehl am Platze, aber kümmert ihn das? Nein, ihn nicht.“ Mrs. Jenner rümpfte wieder die Nase, zögerte, ehe sie mit vornehmer Entrüstung erklärte: „Er ist ein Pilz.“
    Hope musste unwillkürlich lachen. „Ein ziemlich großer Pilz, möchte man meinen. Er muss sechs Fuß groß sein.“
    „Pah! Sie wissen, was ich meine - er ist ein Parvenü, ein Neureicher, ein Emporkömmling. Mehr noch, er ist jemand, der einfach nicht in den Salon einer Dame gehört. Giles Bemerton verdient eine Tracht Prügel - der arme Junge! Der Teufel muss ihn irgendwie in der Hand haben. Es gibt keine andere Erklärung. Giles’ Mutter ist doch über jeden Zweifel erhaben.“
    „Wirklich?“, hauchte Faith fasziniert. „Sie können doch nicht meinen, dass er Mr. Bemerton erpresst, ihn mitzunehmen und überall vorzustellen?“
    Verdrossen zuckte Mrs. Jenner die Achseln. „Woher soll ich die schaurigen Einzelheiten wissen? Aber irgendetwas muss es sein - Spielschulden oder so etwas das sage ich Ihnen.“
    „Ich wäre mir nicht so sicher.“ Hope beobachtete die beiden Männer nachdenklich. Zwischen ihnen bestand aufrichtige Freundschaft, da war sie sich sicher. Und während der hoch gewachsene Mann aussah, als gäbe er keinen Deut darum, ob er das Gesetz brach, war er doch zu ... irgendwie zu groß, um sich zu Erpressung herabzulassen. Erpressung war die Waffe der Schwachen. Und dieser Mann erweckte nicht den Eindruck, als besäße er auch nur die kleinste Schwäche.
    Für einen Mann, der sich angeblich der Gesellschaft auf drängte, gab er sich erstaunlich wenig Mühe, sich beliebt zu machen. Parvenüs versuchten, sich einzuschmeicheln. Soweit Hope es jedoch sehen konnte, unternahm dieser Mann nicht den kleinsten Versuch, jemandem zu gefallen oder zu schmeicheln. Es sei denn, er glaubte, finster die Stirn zu runzeln und gleichzeitig gelangweilt und ungeduldig auszusehen sei charmant, dachte sie amüsiert.
    „Wie, sagten Sie, ist sein Name?“
    „Den habe ich nicht gesagt.“ Mrs. Jenner nahm einen Schluck von ihrem Ratafia. „Ist der Ballsaal heute Abend nicht überaus geschmackvoll dekoriert?“
    „Ja, sehr geschmackvoll“, stimmte ihr Hope zu. „Und sein Name ist ...?“ Sie fand die Entschlossenheit ihrer Anstandsdame, sie zu schützen, ausgesprochen lästig. Hope wusste um Großonkel Oswalds Wunsch, dass Faith und sie eine ausgezeichnete Verbindung eingingen - am besten mit einem Duke oder einem Marquis -, aber dies hier war immerhin ihre zweite Saison, sie waren keine jungen Mädchen mehr, die vor Unbill und unschönen Wahrheiten geschützt werden mussten.
    Mrs. Jenner nahm ihren Fächer und fächerte sich in einem Anflug von Verzweiflung frische Luft zu. „Natürlich ist es von den Framptons wirklich nett, so einen gut besuchten Ball zu veranstalten, aber ich persönlich finde es hier ein wenig zu warm.“ „Ja, sehr warm“, pflichtete ihr Hope liebenswürdig bei, „aber der kühle Luftzug von den Fenstern her ist doch erfrischend, nicht wahr? Wissen Sie, ich kann seinen Namen auch von jemand anderem in Erfahrung bringen. Ich bin sicher, wenigstens ein Dutzend Leute wären nur zu froh, mich zu informieren. Die gute Gesellschaft hat so eine bedauerliche Vorliebe für Klatsch.“
    „Ausgesprochen verwerflich“, erwiderte Mrs. Jenner matt. „Na gut, er heißt Reyne. Mr. Sebastian Reyne.“
    Sebastian Reyne. Das passte zu ihm. Groß, dunkel und irgendwie ... geheimnisvoll. „Und weiter?“, hakte Hope nach.
    Mrs. Jenner verdrehte die Augen. „Er ist plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, hat jede Menge Geld - allerdings ist die Quelle seines Reichtums ... trübe.“
    „Also hat er keine Familie?“
    Mrs. Jenner schürzte die Lippen. „Was das angeht, so sind die Reynes durchaus bekannt und angesehen, aber sie erkennen ihn nicht an.“
    Hope zog die Augenbrauen zusammen. „Meinen Sie, er ist illegitim? Wenn das stimmt, dann ist es ein unglücklicher Umstand, aber ich begreife nicht, warum man ausgerechnet ihm daraus einen Vorwurf machen kann. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Leuten, von denen wir wissen, dass sie nicht die wahren Kinder ihrer Väter sind - das ist ein offenes Geheimnis.“
    Mrs. Jenner war entsetzt. „Pst! Sie dürfen noch nicht einmal daran denken, Mitglieder der guten Gesellschaft mit ihm zu vergleichen. Ich wollte nur sagen, dass die Reynes ihn nicht kennen. Jeder kann einen bestimmten Namen benutzen. Ob er auch

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