Ein Mann für alle Fälle
einem Lagerschuppen.“ Mitch grinste triumphierend. „Es gibt etwa zwei Meilen von hier so eine Art Hochsicherheitslagerschuppen, wo vermögende Leute den Kram einlagern, den sie zu Hause nicht unterbringen können.“
„Und woher wissen Sie das?“
„Man ist ja nicht umsonst Detektiv.“ Er stand auf. „Los, lassen Sie uns hinfahren.“
„Blödsinn.“ Mae blieb stur auf ihren Fersen sitzen. „Woher wollen Sie denn wissen, dass wir dort etwas finden?“
„Dann bleiben Sie eben hier auf dem Fußboden hocken, wenn Ihnen das lieber ist.“
„Schon gut, schon gut.“ Mae rappelte sich auf. „Ich komm ja schon. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dort etwas finden. Es sei denn, Sie verheimlichen mir etwas.“
„Schön war’s ja“, gab Mitch zurück.
Mitchs Tank war leer, deshalb hielten sie an einer Tankstelle. Als es ans Bezahlen ging, stellte sich heraus, dass Mitchs Brieftasche ebenfalls leer war. Mae grub nach ihrem letzten Zwanziger.
„Ich kann Ihnen nur raten, dass wir in dem Schuppen etwas finden“, brummte sie ungehalten. „Das war mein Essensgeld für eine Woche.“
„Auf dem Heimweg fahren wir bei einem Geldautomaten vorbei. Vertrauen Sie mir.“
„In Ordnung“, gab Mae zurück.
Die Lagerschuppen lagen in einer Seitenstraße in einem der besseren Viertel von Riverbend. Der Architekt, der sie entworfen hatte, hatte sein Bestes gegeben, denn sie fielen, gut getarnt zwischen den Apartmentkomplexen und dem hohen, dichten Baumbestand, fast überhaupt nicht auf.
Als Mitch vor dem bewachten Tor anhielt, sah Mae Dutzende von kleinen blau getünchten Steinhäuschen, eins neben dem anderen, mit weißen Dachgiebeln.
„Hallo, Mitch, wie geht’s?“, sagte der Pförtner, und Mitch sagte: „Gut, Albert, ist was passiert?“
Albert schnaubte. „Nichts ist passiert, selbstverständlich. Schließlich werden wir ja von euch dafür bezahlt, dass wir aufpassen, dass nichts passiert.“
„Genau“, gab Mitch zurück, und Albert winkte ihn durch das Tor.
Mae schäumte. Also hatte Mitch hier auch einen dieser teuren Schuppen gemietet, um Wertsachen zu lagern, oder etwa nicht? Natürlich. Das ging aus dem, was der Pförtner gesagt hatte, eindeutig hervor. Was auch immer Mitchell Peatwick sein mochte, ein abgebrannter Privatdetektiv war er jedenfalls nicht, so viel war ihr schlagartig klar geworden. Er hatte sie belogen. Männer! Immer mussten sie irgendwelche Geheimnisse vor einem haben. Ach, was soll’s, dachte sie, was geht’s dich an? Jeder lügt …
„Er kennt Sie mit Namen?“, fragte sie kühl.
Mitch überhörte ihre Frage und fuhr Weg C entlang.
„Auf dem Schlüssel steht K10“, bemerkte Mae scharf.
„Ich weiß.“
„Warum fahren Sie dann …“
„Weil Albert davon ausgeht, dass ich in diese Richtung fahre. Wir wenden gleich. Ich möchte nicht, dass Albert Wind bekommt von dem, was wir hier machen, okay?“
Mae lehnte sich gegen die Tür, um ihn besser beobachten zu können. „Dann fahren wir also jetzt die C hinunter, weil hier Ihr Lagerraum ist?“
„Ganz recht.“ Am Ende des Weges wendete Mitch. „Schauen Sie, wo K ist.“
„K kommt direkt nach J.“ Mae verschränkte die Arme über der Brust. „Wenn Sie pleite sind, wieso haben Sie dann hier einen Lagerraum?“
„Mabel, wir kennen uns nicht gut genug, dass ich Ihnen all meine Geheimnisse erzählen würde. Würden Sie bitte nach K Ausschau halten, ja?“
„Mitch, die Wege hier sind alle nach den Buchstaben des Alphabets benannt, und ich nehme doch an, dass Ihnen das Alphabet geläufig ist. Im Übrigen interessieren mich Ihre Geheimnisse nicht …“
„Gut so.“ Hier war K. Mitch bog ab.
„Weil mir das hier nicht gerade als der richtige Ort erscheint, um auch nur eins davon kennenzulernen.“
„Hier ist es.“ Mitch machte den Motor aus und stieg aus. Als er die Tür erreicht hatte, suchte er in der Dunkelheit nach dem Schloss.
Mae trat hinter ihn und unternahm einen weiteren Versuch. „Warum haben Sie …“
„Pst.“ Mitch drehte den Schlüssel im Schloss, drückte die Tür auf und tastete an der Wand nach dem Lichtschalter. Gleich darauf wurde es hell.
„Das darf nicht wahr sein!“, rief Mae aus. Hier war rein gar nichts. Keine Gemälde, keine Möbel, kein Bargeld und auch kein Tagebuch.
Mitch schloss die Tür. „Verlieren Sie jetzt nicht den Mut“, versuchte er Mae zu trösten.
„Das macht doch alles keinen Sinn“, sagte sie und ließ sich frustriert im Schneidersitz auf dem
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