Ein Mann von Ehre
genötigt, ihn einige Tage allein zu lassen.“
Daher hatte Rosalyn ihn also nicht bei ihren Spaziergängen getroffen. Er hatte sie nicht gemieden! Ihre Stimmung besserte sich im Nu.
„Nun, dann nehme ich an, dass er jetzt, da Sie wieder hier sind, nicht mehr so lange mit Sarah zusammen sein kann. Die beiden haben sich angewöhnt, täglich mehrere Stunden miteinander zu verbringen. Ich glaube, sie haben sich angefreundet. Er wird ihr fehlen, wenn er nicht mehr so oft zu ihr kommt.“
„Sie kann gern an seinem Unterricht teilnehmen“, erwiderte Damian. „Natürlich wird sie das langweilen. Er lernt fechten, schießen und befasst sich mit Geschichte und Politik.“
„Ach, wirklich! Du meine Güte!“ Rosalyn war überrascht. „Für einen Jungen seines Alters ist das ein ziemlich anspruchsvolles Programm. Ich hatte angenommen, Sie brächten ihm bestimmte Sportarten bei, aber ganz gewiss nicht Politik und Geschichte.“
„Es ist wichtig, dass er darüber Bescheid weiß. Möglicherweise wird er eines Tages eine sehr wichtige Position haben.“
„Wer ist sein Vater? Oder hätte ich das nicht fragen sollen?“
Damian zögerte einen Moment mit der Antwort und seufzte dann. Wenn er sich jetzt irrte, war alles verloren. Aber es drängte ihn, sich Miss Eastleigh anzuvertrauen, weil, seit er das Land verlassen gehabt hatte, niemand da gewesen war, dem er sein Herz hätte ausschütten können.
„Der Vater meines Schützlings ist der Maharadscha eines indischen Bergstaates. Prinz Jared ist sein ältester Sohn, der ihm nach dessen Tod auf den Thron folgen müsste. Es ist jedoch zu einem Streit über die Nachfolge gekommen, da die Mutter des Prinzen eine Engländerin war. Sollte er dennoch der Thronfolger bleiben, kann das religiöse Fanatiker veranlassen, einen Aufruhr anzuzetteln. Der Maharadscha hat zwar darauf bestanden, dass sein Sohn im hinduistischen Glauben erzogen wird, doch die Maharani hat Prinz Jared von anderen Religionen berichtet.“
„Hat der Maharadscha ihr gestattet, ihren Glauben auszuüben?“
„Ja, in privatem Rahmen. Ihren Sohn durfte sie jedoch nicht am Gottesdienst teilnehmen lassen.“ Damian furchte die Stirn. „Ich habe Ihnen nicht von vornherein die Wahrheit über den Prinzen berichtet, Miss Eastleigh, weil ich befürchtete, ich würde Sie dadurch verunsichern, doch nun muss ich sie Ihnen mitteilen. Ein Attentatsversuch auf den Prinzen ist der eigentliche Grund, weshalb Seine Hoheit mit mir hergekommen ist.“
Damian unterließ es, Miss Eastleigh anzuvertrauen, dass er durch sein geistesgegenwärtiges Verhalten dem Prinzen das Leben gerettet hatte, er dabei verwundet worden war und fast gestorben wäre.
„Oh, nein! Das ist ja schrecklich!“ Die Geschichte war schlimmer, als Rosalyn es sich je hätte vorstellen können. „Der arme Prinz! Kein Wunder, dass er so traurig und verängstigt auf mich gewirkt hat, als ich ihn kennenlernte!“
„Nur ein Zufall hat ihn vor dem Tod bewahrt. Der Maharadscha hat befürchtet, der nächste Attentatsversuch auf seinen Ältesten könne erfolgreich sein, und mich daher gebeten, den Prinzen mitzunehmen.“
„Wer könnte es auf das Leben Seiner Hoheit abgesehen haben?“
„Die Feinde des Herrschers“, antwortete Damian grimmig. „Viele Höflinge sind der Ansicht, der Maharadscha solle Jared übergehen und seinen jüngeren Sohn, den seine zweite Gattin ihm geboren hat, zum Thronerben bestimmen, und diesen Standpunkt hat auch der vor kurzem verstorbene Großvater des Prinzen vertreten. Bislang hat der Maharadscha es beharrlich abgelehnt, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Seine Weigerung hat bereits zu Unruhen geführt, und daher wollte er, dass ich Prinz Jared hier in Sicherheit bringe.“
„Jetzt verstehe ich, Mylord, warum Sie so darauf bedacht sind, dass Seine Hoheit sich nicht unbeaufsichtigt entfernt!“ Rosalyn erkannte, dass sie intuitiv recht gehabt hatte und es falsch gewesen war, auch nur einen Moment lang an der Integrität Seiner Lordschaft zu zweifeln.
„Ja“, bestätigte er und lächelte sie an. „Natürlich wäre der Prinz in Sicherheit, hätte er ständig seinen Diener um sich, doch er kann Rajib nicht ausstehen. Auch ich mag Rajib nicht. Ich bin längst zu der Auffassung gelangt, es wäre besser gewesen, sowohl ihn als auch die Ayah nicht mitzunehmen.“
„Nein?“ Neugierig schaute Rosalyn Seine Lordschaft an. „Ich hatte den Eindruck, dass Nessa und Seine Hoheit sich mögen.“
„Ja, das
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