Ein Mann von Ehre
Taille, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Dann neigte er sich zu ihr und raunte ihr ins Ohr: „Ich habe beschlossen, dich zu heiraten. Ich mag temperamentvolle Frauen. Außerdem brauche ich dein Geld, meine Liebe. Heirate mich, und niemand wird je von deiner Schande erfahren. Falls du mich zurückweist, ruiniere ich dich gesellschaftlich.“
„Eher heirate ich den Teufel!“, fauchte Rosalyn und trat hart Mr. Harrington gegen das Schienbein. Er fluchte und ließ sie los. Sie rannte von ihm weg, floh jedoch nicht ins Haus, sondern hielt in sicherem Abstand an, drehte sich zu Mr. Harrington um und schaute ihn wütend an. „Ihre Drohungen, Sir, schüchtern mich nicht ein. Gleich nach der Hochzeit meines Bruders werde ich den Earl of Marlowe heiraten.“
„Den Mörder?“ Bernard verengte die Augen. „Patricia hat mir erzählt, er sei im Haus gewesen, weil du ihn eingeladen hattest.“
„Er ist kein Mörder“, rief Rosalyn schrill. „Sie sind der Mörder ihres Bruders, Sir. Sie haben die Frau vergewaltigt und zum Selbstmord getrieben. Ihr Bruder hat sie für Sie entführt. Sie haben ihn dazu angestiftet. Lord Marlowe hat ihn in einem den Regeln entsprechenden Duell erschossen. Aber er hätte Sie und nicht ihn töten sollen. Sie haben zugelassen, dass Ihr Bruder starb, statt Ihre Schuld zu gestehen. Sie haben ihn getötet, Sir. Sein Blut klebt an Ihren Händen. Sie werden für Ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, Sir! Wenn ich Frederick erzähle, dass Sie mich belästigt haben, dann müssen Sie umgehend das Haus verlassen. Sie sind uns nicht mehr willkommen, Sir. Außerdem weiß er, dass Sie versucht haben, Ihrer Nichte Gewalt anzutun. Ihre Zofe hat Sie vertrieben, aber Sie haben Beatrice damit gedroht, Ihrer Schwester zu erzählen, sie hätte Sie ermutigt. Sie sind durch und durch verkommen, Sir!“
Verdutzt starrte er Miss Eastleigh an. Am liebsten wäre er zu ihr gerannt und hätte sie erwürgt. Ihr Geschrei hätte jedoch das ganze Haus alarmiert. Außerdem musste er jetzt an wichtigere Dinge denken. Ihm war klar gewesen, dass er einen Feind hatte. Bis jetzt hatte er jedoch nie an den Earl of Marlowe gedacht. Er musste sich Gewissheit verschaffen, ob tatsächlich Lord Marlowe im Besitz der Schuldscheine war, und ihm dann, falls die Vermutung zutraf, nachhaltig zu verstehen geben, er hätte gefälligst nicht die Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. Danach war noch Zeit genug, um sich mit Miss Eastleigh zu befassen.
„Ihr Bruder muss mich nicht zur Abreise auffordern“, erwiderte er verächtlich. „Ich kann es kaum erwarten, diesem verdammten Haus den Rücken zu kehren. Zur Hölle mit Ihnen und Ihrem Bruder, Sie arrogante Person! Ich bin nur auf Wunsch meiner Schwester hergekommen, hätte jedoch ebenso gut in London bleiben können, weil sie mir nicht geholfen hat. Sie klammert sich an ihr verdammtes Geld. Ich bezweifele, dass ich davon vor ihrem Tod auch nur einen Penny bekomme. Je eher sie stirbt, desto besser für mich!“
8. KAPITEL
Wütend hatte Mr. Harrington sich entfernt. Zitternd atmete Rosalyn tief durch, schaute auf und blickte zum Haus. Im selben Moment nahm sie hinter einem Fenster eine Bewegung wahr. Jemand hatte sie beobachtet und vermutlich auch alles gehört, da das Fenster einen Spaltbreit geöffnet war. Es war das Fenster beim oberen Treppenpodest. Daher konnte jeder, der im Haus war, dahinter gestanden haben. Hastig begab Rosalyn sich ins Haus. Sie musste sich beeilen, weil sie denjenigen, der sie beobachtet hatte, davon abhalten wollte, über den Vorfall zu reden. Als sie jedoch auf dem oberen Treppenabsatz ankam, war er leer.
Enttäuscht beschloss sie, zu Mrs. Jenkins zu gehen. Sie blickte in den Wandspiegel, drückte die Frisur zurecht und strich das Kleid glatt. Dann begab sie sich zu Mrs. Jenkins Zimmer und klopfte an die Tür.
Einen Moment später wurde ihr geöffnet. Mrs. Jenkins war noch immer etwas gelb im Gesicht, sah jedoch sehr viel erholter aus und hatte sich angekleidet.
„Es tut mir wirklich leid, Sie zu stören“, sagte Rosalyn und wunderte sich über den wütenden Ausdruck in Mrs. Jenkins’ Augen. „Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Ihnen ergeht und ob Sie einen Wunsch haben.“
Kalt und stolz schaute Mrs. Jenkins Rosalyn an. „Nein, vielen Dank“, antwortete sie. „Ich habe mich gut erholt, Miss Eastleigh, und werde gleich in den Salon gehen.“
„Das freut mich zu hören“, erwiderte Rosalyn. „Ich möchte nicht
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