Ein Mann von Welt
könnte, ich versuchte, dieses schwierige Rätsel zu lösen, als ich das Klopfen hörte. Ich kam heraus und sah, dass Tante Liz in den Spion schaute. Sie winkte mich rüber, ich sollte hinter ihr stehen, sie wollte demjenigen, der vor der Tür stand, zeigen, dass ein starker und kräftiger Mann in ihrem Haus war, sie wollte meine Qualitäten als Wachhund einsetzen, ihre Worte vor ein paar Tagen, als sie davon sprach, wie schön sie es fand, einen jungen Mann im Haus zu haben, damit meinte sie mich. Es klopfte wieder, und sobald ich in Position war, öffnete sie die Tür und gab dem Besucher ein eiskaltes: Kann ich Ihnen helfen? Ich stand zuerst hinter der Tür und konnte nicht sehen, wer es war, aber die Stimme kam mir bekannt vor, die hatte ich schon mal gehört, die Stimme sagte, er hoffte, er würde nicht stören, aber er war auf der Suche nach einem alten Freund, einem gewissen Oppen Porter, er hatte seine Bekanntschaft gemacht, sagte er, im Bus auf dem Weg durchs Central Valley. Inzwischen stand ich neben Tante Liz und sah, wie Paul Renfro unsicher auf den Stufen zum Haus hin und her wippte. Er sah nicht gut aus, das gebe ich zu, er sah in keinster Weise respektabel aus, er sah nicht einmal so gut aus wie damals im Bus, er schien genau dieselben Klamotten zu tragen, nur schmutziger. Ich sagte, wie schön es war, ihn zu sehen, ich sagte ihm, ich hätte einen Job in einem Fastfood-Restaurant, ich sagte ihm, ich würde mich alles in allem gut einleben, und fragte ihn dann, wie es ihm ging, und bat ihn herein. Ich konnte sehen, dass er erschöpft war, dass er unsere Hilfe brauchte. Was natürlich nicht passierte, denn
in dem Moment, als ich Paul hereinbat, bat Tante Liz ihn wieder heraus, sie entschuldigte sich künstlich, sie entschuldigte sich auf diese Weise, bei der Leute mit tut mir leid anfangen und dann ihren ganzen restlichen Atem dazu verwenden, das wieder auszuradieren, und endete, in diesem Fall, mit der Aussage, dass Paul – sie nannte ihn Mr. Renfro, aber auf eine Art, die irgendwie weniger Respekt zeigte, als wenn sie ihn Paul genannt hätte –, dass Mr. Renfro in ihrem Heim nicht willkommen wäre, auch nicht auf dem Grundstück ihres Heims, dann entschuldigte sie sich wieder, diesmal in meinem Namen, und erklärte, ich hätte nicht verstanden, was für eine Art Einladung das gewesen wäre, dass ich ihn eigentlich gar nicht hätte einladen wollen, dass ich nicht immer in der Lage wäre, vernünftige Entscheidungen zu treffen, was ja überhaupt der Grund wäre, warum ich bei ihr wohnen würde. Gewiss würde eine Persönlichkeit wie Mr. Renfro verstehen können, wieder klang jedes Wort aus ihrem Mund wie das Gegenteil, wie delikat die Situation war. Was konnte Paul Renfro schon groß tun? Er machte eine halbe Verbeugung, sie schlug die Tür vor seiner Nase zu.
Heute verstehe ich, dass Tante Liz einfach nur durch Pauls Anwesenheit spürte, dass sie es hier mit jemandem von ungeheurer intellektueller Kraft zu tun hatte, und dass ihr Verweis auf seine Schäbigkeit und Merkwürdigkeit nur Vorwände waren, und genau betrachtet wollte sie sich auf keinen Fall mit seinem überlegenen Verstand auseinandersetzen. Tante Liz sagte, ich müsste umsichtiger sein, genau das
Wort benutzte sie, umsichtig, wie und mit wem ich redete, und vorsichtiger, mit wem ich mich anfreundete, besonders in Panorama City, man könnte den Leuten nicht trauen. Sie wiederholte immer wieder, das ist hier nicht Madera, immer wieder. Und so leid es ihr tat, das sagen zu müssen, ihre Worte, war Panorama City nicht mehr der sichere Zufluchtsort, der es einmal gewesen war, als sie hierhergezogen war, bevor all die Asozialen gekommen waren. Aber sie würde den Kurs halten, sagte sie, die anständigen Leute würden bald zurückkehren. Das habe ich nicht verstanden, Juan-George, ich konnte ja schon sehen, dass Panorama City voller anständiger Leute war. Nur die Leute in dem milchig blauen Haus stellten sich als nicht ganz so anständig heraus, oder sie waren auf ihre eigene Art anständig, aber nicht gleichgesinnt, was ja nur bedeutet, dass es viele Gründe gibt, warum man einen Rasen wild wuchern und wachsen lässt, und nicht alle sind philosophisch überzeugend.
C: Deine Tante Liz hat recht mit den Leuten da unten. Wenn Juan-George sich diese Kassetten anhört, soll er das wissen. Du sollst das wissen, meine kleine Toronja.
O: Ich war da, ich war vierzig Tage lang da und die Leute waren anständig. Klar, es gab ein paar Ausnahmen,
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