Ein Mann von Welt
war die Zahl sehr niedrig, ich bekam nicht viel Geld. Francis bemerkte das, er bemerkte die Enttäuschung in meinem Gesicht, er zeigte auf das Geld und sagte, genau deshalb laufe ich nicht den ganzen Tag mit einem Lächeln im Gesicht rum, er sagte, deshalb arbeite ich nicht zu hart, er sagte, deshalb arbeite ich so viele Stunden, wie ich kann, und es schert doch keine Sau, ob die Tabletts sauber sind oder die Hamburger warm, seine Worte, ich bin es nicht, der davon reich wird. So hatte ich noch nie darüber nachgedacht, Juan-George, ich dachte, je besser ich arbeite, desto mehr würde ich belohnt, ich hatte bis zu diesem Moment noch nicht Francis' Philosophie gehört, das brachte mich zum Nachdenken, ich machte sie mir nicht zu eigen, das sollte ich erwähnen, ich glaubte nicht, ich könnte wirklich da reingehen und schlecht arbeiten und einfach viele Stunden ansammeln, wie Francis das scheinbar vorschlug, aber ich musste mich schon fragen, wie ich mit so wenig Geld in der Tasche ein Mann von Welt werden sollte. Später, viel später, nachdem Tante Liz herausgefunden hatte, dass ich meine Schecks zur Scheckeinlösebude brachte, flippte sie aus und sagte mir, ihre Gebühren wären einfach unverschämt, und dass es kei
nen Grund gab, warum ich diesen Leuten einen Teil meines Lohns abgeben sollte, dass sie Blutsauger waren, und so weiter, und dann machte sie ein Konto bei ihrer Bank für mich auf, wo ich auch Gebühren zahlen musste. Nach meiner nächsten Sitzung mit Dr. Rosenkleig, nach einer Sitzung, in der wir wie gewöhnlich über das redeten, worüber ich gerade reden wollte, also an diesem Tag das Wetter, Fahrräder und die Knoten, die mir dein Großvater beigebracht hatte, fragte mich Tante Liz, was wir besprochen hatten, und ich sagte es ihr, und sie meinte, das könnte sie nicht glauben. Sie konnte nicht glauben, dass Dr. Rosenkleig und ich nicht über meine Gefühle nach dem Tod meines Vaters gesprochen hatten, oder wie ich mich in Panorama City einlebte, sie fragte sich, wofür sie ihn bezahlte. Ich war in letzter Zeit neugierig auf solche Dinge geworden, und so fragte ich Tante Liz, was sie Dr. Rosenkleig denn bezahlte, ich fragte sie, wie er bezahlt wurde. Sie sagte mir, er würde pro Stunde bezahlt, genau wie ich, und einen Moment lang fühlte ich, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, so ein Gefühl von Kameradschaft, vielleicht, dass Dr. Rosenkleig und ich im selben Boot saßen, dass wir beide Lohnsklaven waren. Einfach nur so aus Neugier fragte ich, was er denn pro Stunde nehmen würde, sie wollte es mir eigentlich nicht sagen, aber dann sagte sie, was soll's, und rückte damit heraus. Sein Stundensatz war beträchtlich. Erst dachte ich, ich hätte die Zahl falsch verstanden, sie versicherte mir, dass dem nicht so war. Ich bin gut mit Zahlen. Ich war schon immer gut mit Zahlen, selbst wenn Worte und Buchstaben mir manchmal entgleiten, und so konnte ich sofort, oder fast sofort, sehen, dass eine Sit
zung, also eigentlich nur fünfzig Minuten, mit Dr. Rosenkleig finanziell gesehen das Gleiche war wie meine Arbeit für eine ganze Woche in dem Fastfood-Laden, nachdem die Gebühren und Steuern und Uniform abgezogen waren. Ich fragte mich, warum Tante Liz mir einen Job in dem Fastfood-Restaurant besorgt hatte und nicht lieber einen Job als Therapeut, ich war schon immer ein Amateur im Sprechen und Zuhören, aber wie schwer kann das schon sein, so was professionell zu machen, eine Ausrüstung war jedenfalls nicht notwendig.
Als ich in dieser Nacht in meinem aufblasbaren Bett schlief, kombinierte und vermischte mein Kopf alle Worte, die an dem Tag in ihn reingekommen waren, und während ich mir am nächsten Morgen die Zähne putzte, zählte ich sozusagen eins und eins zusammen. Ganz egal, was wir in unseren Therapiesitzungen erreichten oder auch nicht erreichten, Dr. Rosenkleig wurde gleich viel bezahlt, er wurde pro Stunde bezahlt, er wurde für seine Zeit bezahlt, ganz egal, was er damit anstellte, was die langen Pausen erklärte, was erklärte, warum er so oft über alles nachdenken musste. Je langsamer er dachte, desto mehr wurde er für jede einzelne Idee bezahlt.
Und dann änderte ein Klopfen an der Tür alles, oder ein Klopfen an der Tür hätte alles geändert, wenn nicht Tante Liz aufgemacht hätte. Ich hatte den ganzen Nachmittag in meinem Quartier verbracht und überlegt, wie ich das Bett anpassen könnte, damit es meinem Körpertyp entsprach,
und zwar so, dass Tante Liz nichts dagegen haben
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