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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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der Luft ist, ablagern kann? Eine Frage, die ich nicht beantworten kann, Juan-George. Abgesehen von dem Staub überall, hatte sich das Haus gar nicht verändert, seit ich vor vierzig Tagen die Tür hinter mir zugezogen hatte. Oh, und von dem Brot muss ich dir erzählen, ich hatte ein Brot vergessen, das war ein einziger schwarzer Ball mit Frisur geworden. Ich brachte meine Sachen hoch, ich weiß nicht genau warum, aber als Erstes brachte ich meinen Koffer hoch in mein Zimmer und stellte ihn auf den Boden. Meine Bettwäsche war durcheinander, ich hatte mein Bett nicht gemacht, bevor ich wegging. Ich saß einen Moment lang auf meinem Bett, ich dachte einen Moment daran, meine eigene Luft zu atmen, aber ich wollte Mary unten nicht allein lassen. Also nahm ich mich zusammen und stand auf und ging wieder
aus meinem Zimmer heraus, ich hatte das schon so oft getan, vom Bett aufstehen und die Treppe runtergehen, es war, als würde sich jeder Muskel meines Körpers an diese Bewegungen erinnern, als würde mein Auge alle Bilder auswendig kennen, beides hatte eine tiefe Spur in mein Denken gegraben, und mein Kopf rutschte in diese Spur, so dass ich das merkwürdige Gefühl hatte, den Eindruck oder Verdacht, ich weiß nicht recht, wie ich es nennen soll, ich meine, ich wusste, dass es nicht stimmte, ich wusste, dass es keine Tatsache war, aber ein anderer Teil von mir war sich sicher, dass ich aus einem Traum aufgewacht war, der Panorama City gewesen war.

    Unten sagte ich dann Mary, was ich immer allen Leuten gesagt hatte, nämlich, dass ich mich gut um mich selber kümmern konnte. Sie schrieb mir ihre Telefonnummer auf und sagte, dass ich sie jederzeit anrufen könnte, wenn ich irgendetwas bräuchte. Einkäufe, Post, was auch immer. Ich sagte, dass alles in Ordnung war, dass es mir gut ging. Sie lief rüber zum Telefon in der Küche, hob ab und lauschte einen Moment. Du brauchst Hilfe, damit das wieder angeschlossen wird. Sie machte einen Lichtschalter an und aus. Nichts passierte. Und dabei auch. Ich holte eine Taschenlampe aus der alten Werkzeugkiste deines Großvaters und kramte ein paar Kerzen und Streichhölzer hervor. Mary, die Polizistin, ging dann, zögerlich, nachdem sie angeboten hatte, über Nacht zu bleiben. Ich duschte kalt, es gab kein heißes Wasser, dann zog ich die schönsten Anziehsachen an, die ich im Schrank finden konnte, ein weißes Hemd und eine Khakihose. Von
meinem Fenster aus konnte ich sehen, wie die Sonne schon zur Hälfte hinter dem Horizont verschwunden war, wie die Wolken sich rot und orange färbten, überall waren Schatten. Ich ging raus in die Garage und fand gleich mein Lieblingsfahrrad, das blauglitzernde Drei-Gang-Schwinn mit den Ledertaschen. Ich wischte es mit einem feuchten Tuch ab, pumpte die Reifen auf, ölte die Kette. Da gab es etwas, was ich tun musste.

    Ich fuhr durch die warme und schwüle Abendluft in die Stadt, in das alte Viertel deiner Mutter, sie will nicht, dass ich darüber spreche, aber ich traue ihr nicht recht, dass sie es dir selbst erzählt, und es ist wichtig, damit du weißt, wo du herkommst, Juan-George. Es war dunkel und es waren Leute auf der Straße, die den schönen Abend ausnutzen wollten, sie grillten und tranken, sie spielten laute Musik. Ich schob mein Fahrrad auf den Rasen und lehnte es ans Haus. Fabio, der Sohn von Carmens Mitbewohnerin, saß auf der Veranda, genau an dem Platz, an dem er auch vor vierzig Tagen gesessen hatte, aber dieses Mal schlief er, eine leere Bierflasche stand neben ihm. Ich klopfte, und von meinem Klopfen ging die Tür auf. Ich betrat das Haus, überall lag Müll herum, hier hatte schon lange niemand mehr saubergemacht. Was merkwürdig war, denn von dem, was ich zuvor mitbekommen hatte, war deine Mutter eine ordentliche Person, und das hier war, was man ein Katastrophengebiet nennen würde, und dunkel war es auch, nirgendwo Licht. Ich ging ins Zimmer deiner Mutter und sah zwei Körper auf dem Bett, einen Mann und eine Frau, die machten,
was Männer und Frauen eben tun. Der Mann sah mich nicht, er schaute in die andere Richtung, aber die Frau blickte sofort auf. Sie war nicht deine Mutter. Ich fragte sie, wo Carmen war, der Mann drehte sich um und fragte, was hier los wäre. Die Frau sagte mir, Carmen würde hier nicht mehr wohnen, und der Mann sagte zu mir, siehst du nicht, dass ich hier gerade am Vögeln bin? Auf diese Weise erfuhr ich, dass deine Mutter ausgezogen war, dass sie, wie ich später mitkriegte, aus dem Haus ausgezogen

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