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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Karle?« sagte Rieke fragend.
    Er sah sie alle der Reihe nach an.
    »Es hilft ja doch nichts«, meinte die Palude. »Wir können es ihm ebensogut gleich sagen. Die Leute haben alle Schlußgemacht, Herr Siebrecht! Sie sagen, die Schinderei lohnt sich nicht mehr, die Firma ist doch kaputt. Wagenseil hat wohl bei ihnen rumgeschickt. Von morgen an fährt Franz Wagenseil selber mit neuen Gespannen, Herr Siebrecht!«
    »Das kann ich mir denken«, antwortete Karl Siebrecht. Und: »Herr Busch!« rief er: »Herr Busch, sehen Sie doch mal her!«
    »Heh –?« machte der alte Busch.
    Karl Siebrecht holte die drei Borsten vom Piassavabesen hervor. »Kennen Sie die noch? Die sollten mir doch Glück bringen, was?« Der alte Busch war aufgestanden. Nun fing er an zu lachen, auf diese lautlose, fast dämonische Art, als sei ein tiefes Geheimnis bei diesen drei braunen Borsten. »Und sie haben mir Glück gebracht!« rief Karl Siebrecht und hielt die Borsten hoch. »Kinder, von morgen an fahren wir mit fünf Autos! Die Firma Siebrecht & Flau steht
so
da! Wir schlagen jede Konkurrenz! Fünf Autos! Was sagt ihr nun?« Einen Augenblick sah er triumphierend in ihre erstarrten, ungläubigen Gesichter. Und plötzlich, er wußte selbst nicht, wie das kam, liefen ihm Tränen über die Backen, er sagte schluchzend: »Ach Gott, ich bin ja so glücklich! Ich hab nicht mehr gedacht, daß ich’s schaffe … Ich glaubte schon, es wäre alles hin … Und nun … fünf Autos …« Plötzlich hielt er Rieke in den Armen, er küßte sie links und rechts ab, er schüttelte sie: »Rieke, freu dich doch! Wir haben’s geschafft! Ach Rieke, Rieke, meine Rieke!« Und er hatte die Palude im Arm, dieses alte, säuerliche Fräulein: »Wir bekommen eine tipptoppe Buchführung! Sie sollen nicht mehr über unsere Kladde schimpfen!« Und nun zu Kalli: »Ach, Kalli, Mensch, oller Schlemihl, weißt du auch, daß du von morgen an Chauffeur lernst?! Natürlich, so was ist doch selbstmurmelnd bei uns! Und wenn du deinen ersten Laternenpfahl umgefahren hast, schmeiße ich dich aus der Firma, und du kannst Kutscher bei Franz werden!«
    Er konnte sich nicht mehr lassen vor Übermut. Daß sie es noch immer nicht begreifen wollten, daß sie ihn noch immerungläubig anstarrten, machte ihn stets wilder: Selbst der alte Busch entging ihm nicht. »Ja, Vater Busch, was in so drei alten Borsten drin steckt! Eigentlich haben sie’s geschafft, Vater Busch. Aber ich lasse sie rahmen, ich meine die drei Borsten, und darunter schreiben wir den heutigen Tag, den achtzehnten Mai neunzehnhundertvierzehn, und das hängen wir uns dann aufs Büro. Borsten und Läuse, die haben’s geschafft! Und dann noch, weil ich einmal im Tiergarten auf einer Handtasche rumgetrampelt bin …« Er redete immer wirrer, sie sahen ihn an, als zweifelten sie schon an seinem Verstande.
    Aber allmählich beruhigte er sich und fing an zu erzählen, und die anderen konnten glauben, was sie nicht einmal mehr zu hoffen gewagt hatten. Es wurde ein langer freundlicher Abend, so unruhig er begonnen hatte, so still vor Glück wurde er dann. Unglücklich war nur der Lehrling Egon Bremer, dem seine zu jungen Jahre es verboten, Chauffeur zu werden. Er sah alle Älteren mit Neid an und vernahm düster die Mitteilung seines Chefs, daß nun die Herumlauferei auf den Straßen aufhöre und daß er vom nächsten Tage an Buchführung erlernen werde, doppelte Buchführung, und dann Bilanzen, mein Sohn, Bilanzen sind die Seele des Geschäfts, ei wei! Mit Fräulein Palude war der Lehrling Bremer der Ansicht, daß man diesen neuen Buchhalter sehr kurz werde halten müssen – vom Gepäckgeschäft hatte er jedenfalls keine Ahnung.
    Als dann aber am nächsten Morgen pünktlich um acht Uhr der neue Buchhalter antrat, ein junger, glattrasierter Mann mit scharfem, energischem Gesicht, und als der Lehrling Bremer wie meist erst um acht Uhr sieben angestürzt kam, da sprach der neue Herr: »Wir fangen hier nicht um acht Uhr sieben an, mein Sohn, sondern um acht. Das wäre das erste! Und wir stecken hier nicht die Hände in die Hosentaschen, sondern wir arbeiten mit ihnen. Das wäre das zweite! Mit einem so schmuddligen Kragen kommen wir auch nicht hierher. Das wäre das dritte. Und als viertes begibst du dich jetzt in die Küche und wäschst dir ein wenig die Hände, nur einganz klein wenig, damit die äußere Borke abgeht. Und als fünftes holst du dir irgendwo ein Staubtuch und wischst hier im Büro einmal gründlich Staub, auch oben

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