Ein Mann zum Abheben
als alle andern bist.«
»Na ja, wenn man so darüber nachdenkt«, sagt Belinda, »wie groß sind schon die Chancen, dass der Transporter eines perfekten Mannes in deinem Hof eine Panne hat?«
»Gehen wir ins Wohnzimmer«, unterbricht Kelly. »Ihr
steht hier in der Küche rum, als glaubt ihr, ich hätte nicht einmal Stühle.«
»Oh, ich stimme dir zu, Nancy, ich stimme dir völlig zu. Sie hätte niemals eine Affäre eingehen und all diese Zufriedenheit aufs Spiel setzen sollen. Während ihre Familie zum Jahrmarkt gefahren ist, hätte sie ihre freie Zeit nutzen und die Wände lasieren sollen …«
In der Sekunde, in der es mir über die Lippen kommt, bereue ich es schon. Nancy und ich kabbeln uns allmonatlich, und die anderen Frauen erwarten es. Vermutlich lassen sie deshalb ihre Kinder daheim zurück und fahren in die Nacht hinaus, um über Bücher zu diskutieren, die sie nicht gelesen haben. Aber noch nie zuvor bin ich gemein zu ihr gewesen.
Nancy wird blass, ihre Lippen werden zu einem bewegungslosen Strich. Ich werfe Kelly einen Blick zu, aber sie weicht ihm aus. Dieses Mal bin ich viel zu weit gegangen. Und dann öffnet Nancy schnell und ruhig den Reißverschluss ihrer Handtasche, zieht die Schlüssel heraus und verlässt die Küche. Ein paar Sekunden später hören wir ihren Motor anspringen.
»Wartet einen Augenblick«, sagt Belinda, »sie hat mich mitgenommen.«
Mir ist zwar nicht ganz klar warum, aber ich bin entsetzt. Wir treffen uns seit sieben Jahren, und noch nie hat jemand vorzeitig den Literaturkreis verlassen.
»Sie mag mich nicht.«
»Warum hast du das bloß gesagt?«, fragt mich Kelly. »Dieses Haus ist ihr Kunstwerk.«
»Sie hat mich noch nie leiden können.«
»Und du machst ziemlich viel Theater darum, dass du einen Job hast.«
»Na und? Ich töpfere und verdiene im Jahr etwa zwei Cent damit.«
»Ich rede nicht vom Geld. Elyse, du kannst manchmal richtig herablassend sein. Du führst dich auf, als wärst du in diesem Kreis die große Intellektuelle, die sich unters gemeine Volk mischt, indem sie bei uns anderen herumhängt …«
»Das stimmt nicht«, entgegnet Belinda. Belinda reiht bedächtig Wort an Wort, wenn sie spricht, so als würde sie sich an einen Traum erinnern. »Ich finde, du hast Recht. Nancy mag dich nicht, Elyse, aber das hat nichts mit der Töpferei zu tun oder damit, welches Buch wir im Literaturkreis lesen. Nancy ist wütend, weil Jeff gesagt hat, er würde dich gerne besteigen.«
Totenstille macht sich in der Küche breit. Das Wort »besteigen« hängt wie ein Fluch in der Luft. Kelly donnert die Tasse zurück in die Kaffeemaschine, wir zucken alle zusammen.
»Willst du damit sagen«, wendet sich Kelly an Belinda, »dass Nancy dir tatsächlich erzählt hat, dass er gern Elyse besteigen würde?«
»Ja, allerdings frage ich mich, ob Nancy das für etwas Übles hält. Als würde ›sie besteigen‹, na ja, etwas anderes bedeuten.«
»Belinda, Süße, das musst du erklären«, sagt Kelly. »So wie du das erzählst, macht das keinen Sinn.«
Belinda macht eine Pause, seufzt und schaut einen Moment vor sich hin. »Vor etwa einem Monat waren wir alle im Schwimmklub, es wurde spät. Obwohl es dann kühl wurde, konnte ich die Kinder nicht aus dem Wasser kriegen und zum Anziehen überreden, weil alle so viel Spaß hatten. Irgendwann war ich trocken und saß zitternd in einem Clubsessel. Nancy kam zu mir und fragte: ›Hast du nicht was zum Überziehen dabei?‹, und ich antwortete: ›Nein.‹ Ihr kennt das ja, man packt all den Krempel von den Kindern zusammen und lädt ihn ins Auto, vergisst aber, für sich
selbst etwas mitzunehmen. Ich sagte also Nein, und sie zog sich ihre Bluse aus und legte sie mir um. Sie ist ein Engel, in dieser Hinsicht ist sie so nett, sie hat Geduld mit mir, wenn ich mich dumm anstelle, und an jenem Abend war es kalt, und sie gab mir im wahrsten Sinn des Wortes ihr letztes Hemd. Das werde ich ihr nie vergessen.«
»Gut«, wirft Kelly ein. »In dieser Hinsicht ist sie toll.«
»Sie ist in vielerlei Hinsicht toll«, bemerkt Belinda. »Ich glaube nicht, dass eine von euch weiß, wie oft sie von sich aus ihre Hilfe anbietet - nicht nur beim Essen-auf-Rädern. Sie hilft bei UN-Habitat und beim Hospizdienst …«
»Sie ist eine Heilige«, sagt Kelly. »Was hat das mit Jeff und seinem Wunsch, Elyse zu besteigen, zu tun?«
»Elyse war da, wir waren alle da, Nancy und ich saßen in den Clubsesseln, jede ein Stück weit die Bluse um die Schultern,
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