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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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mein Sohn wurde wieder gesund.«
    Er wischte sich den Schweiß ab, der ihm von der Stirn perlte, und auch die kleine Lache, die sich über dem Nabel gebildet hatte.
    »Das nächstemal«, bemerkte der andere, »wird Baal deiner Bitte mehr Gehör schenken, aus Angst, daß du zu einem anderen Gott überläufst.«
    »Oder aber er erhört sie überhaupt nicht — aus Zorn. Diese Götter sind letztendlich nichts anderes als Wucherer. Sie sind reiner Geist, lassen sich aber mit klingender Münze bezahlen.«
    Jesus hörte ihren Überlegungen mit gleichgültiger Miene zu. Er erriet die Frage, auf die ihre Unterhaltung hinauslief, und tatsächlich, kurze Zeit später wurde sie auch schon gestellt: Wie wählt man einen Gott?
    »Ein Gott ist Wahrheit und Licht«, erklärte Jesus. »Man darf ihn nicht um materielle Güter bitten, denn diese können genausogut von Dämonen gewährt werden.«
    »Dann sind die Götter ja zu nichts nutze, und man könnte gleich den Dämonen Opfer bringen«, hielten sie ihm entgegen.
    »Was verschafft euch aber die Gewißheit, daß die Dämonen eure Bitten zuverlässiger erhören als die Götter?« gab Jesus zu bedenken, während er sich den Schweiß von der Stirn tupfte.
    »Wenn uns weder die Götter noch die Dämonen Gehör schenken, warum verschwenden wir dann überhaupt unser Geld für Opfergaben!« rief unwirsch einer der drei alten Männer und verlieh seinem Ausruf mit einem klatschenden Schlag auf den Schenkel Nachdruck. »Denk doch mal nach, Timo!« entgegnete ein anderer. »Was wären wir denn ohne die Götter? In welcher Gesellschaft würden wir leben? Unter Dieben und Huren? Ist die Gottesfurcht nicht Grundlage unserer Gesetze?«
    »Ach, Unsinn!« hielt ihm besagter Timo entgegen. »Die Götter streiten sich doch selbst untereinander herum wie die Menschen. Wir alle wissen, daß sie habgierig, stolz, lüstern und zänkisch sind, und obendrein machen sie den Dämonen noch die kläglichen Reste dieser Welt und sogar die unserer armseligen Gerippe streitig. Die Gesetze beruhen auf nichts anderem als der Notwendigkeit, miteinander zu leben.«
    »Deine Rede ist zwar gottlos«, schaltete sich der dritte Greis ein, »zeugt aber in gewisser Hinsicht doch von gesundem Menschenverstand. Ich muß gestehen, daß ich mir von jenen Wesen in den Lüften, die wir Götter nennen, nicht viel erwarte, und daß ich auch von seiten jener unterirdischen Geisterwelt, den Dämonen, Lemuren und wie sie alle heißen, nicht viel befürchte. Ich gehe lediglich in den Tempel, um nicht unnötig aus dem Rahmen zu fallen.«
    »Aus reiner Scheinheiligkeit!« rief Timo und brach in schallendes Gelächter aus.
    Als Jesus ins erfrischende Naß des Kaltwasserbeckens tauchte, hörte er den lästerlichen Alten bestätigen, daß er tatsächlich ein Heuchler sei. Die Gottlosigkeit grassiert also überall in der Welt, unter den Heiden wie unter den Juden, dachte er, während er ein paar Züge schwamm. Wieder einmal mußte er den Essenern fast recht geben: Der Sittenverfall im ganzen Land beschwor unweigerlich den Weltuntergang herauf. Als er aus dem Wasser stieg, stand Eukolines schon bereit, um ihn in einem Nebenraum mit einer Roßhaarbürste zu massieren.
    »Sind eigentlich alle Einwohner von Antiochia so gottlos wie meine drei Nachbarn?« fragte er, während der Masseur mit der nassen Bürste energisch die abgestorbenen Hautpartikel von seinem Rücken rubbelte.
    »Um das herauszufinden, müßte man zuerst alle Gottlosen und Heuchler abziehen.«
    Jesus mußte lachen.
    »Bist du ein Schüler des Apollonios?« erkundigte sich der junge Mann.
    »Nein. Ich habe ihn noch nie gesehen.«
    »Wenn du ihn sehen und hören willst, dann geh heute abend in den Daphne-Hain!«
    Jesus trocknete sich ab, zog seine Kleider an und reichte Eukolines sein letztes Geld. Der junge Mann lehnte es ab mit der Erklärung, daß Thomas von Didymas Freunde im Bad des Augustus nichts zu zahlen hätten, und er fügte noch hinzu: »Thomas hat mich meinem Ziel ein großes Stück näher gebracht.«
    »Und wo liegt dein Ziel?« fragte Jesus.
    »Wenn ich das wüßte!«
    Daß in diesem Land auch niemand etwas wußte!
    Das Bad hatte ihn hungrig gemacht. Essensduft stieg ihm in die Nase und regte seinen Appetit an. Der verlockende Duft rührte von einer Bude her, in der eine alte Frau Fleischbällchen mit Sesamkömem und Fischstücke briet. Honiggetränkte Waffeln waren übereinander auf einem Tablett angerichtet. Er verlangte ein Stück Fisch und wollte gerade

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