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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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waren so stark, daß er Angst hatte zu sterben. Sein Magen wurde von Krämpfen zerrissen. Er übergab sich noch einmal und hustete, dann brach er schluchzend zusammen. Er zitterte. Die roten Heere entfernten sich langsam. Er keuchte. Plötzlich herrschte wieder Schweigen. Er packte einen Ast, um sich hochzuziehen.
    Es war diese Wölke aus halbkörperlichen Wesen gewesen... Es waren Seelen gewesen... Eine Horde aus irregewordenen Seelen, blind und flehend... Was erflehten sie? Und warum hatten sie ihn angegriffen? Warum ihn? Was waren das für Seelen? Verdammte? Was konnte er für die Verdammten tun? Und warum hatte er gedacht, daß sie das Herz der Materie darstellten?
    »Meister!«
    Eine angstvolle Frauenstimme. Er wandte sich um. Eine in Schwarz gehüllte Frau kam eilig und mit ausgebreiteten Armen angelaufen.
    »Meister, geht es dir schlecht? Du bist gefallen!«
    Er erkannte Maria Magdalenas Stimme. Und den Tonfall der Liebe. »Mir geht es schon besser. Ich komme zurück.« Aber er stolperte. Sie reichte ihm ihren Arm. Sie erklärte, daß sie vor einer Stunde gehört habe, wie die Haustür sich öffnete, und daß sie nachgeschaut habe, ob nicht Diebe sie aufgebrochen hätten. Dann habe sie ihn sich entfernen sehen und sei ihm beunruhigt gefolgt. Sie war ihm so nahe, daß er ihre Wärme und ihren Geruch spüren konnte. Reste körperlichen Verlangens tanzten in der Nacht. Dieser Angriff hatte ihn mehr verwirrt, als er geglaubt hatte. Er hatte ihm enthüllt, wie zerbrechlich die Flamme seines Geistes war, und er hatte außerdem seinen Überlebensinstinkt angefacht. Wieder mußte er zittern, er mußte stehenbleiben, kurzatmig und mit zusammengebissenen Zähnen. In diesem Moment hätte er Maria Magdalena packen und sich mit ihr im Gras wälzen können. Die Berührung ihrer Haut, ihre samtigen Brüste, ihr seidiges Geschlecht und ihre Lippen, ihr volles Fleisch, die Spalten und Rundungen, die vor Leben überquollen, all das hätte ihn beruhigt. Verstand sie ihn? Denn jetzt drückten ihre Finger seinen Arm... Er bemühte sich, sie nicht anzusehen. Er ging wieder weiter.
    Was hatte ihn da angegriffen?
    Er sehnte sich danach, in die Arme genommen zu werden.
    Als er endlich vor seinem Bett stand, ließ er sich niedersinken und glitt in den Schlaf wie eine Leiche ins Meer.
     

XII.
     
    Prophet im eigenen Vaterland
     
    »Ich sage dir, Jossi, du und ich, wir müssen jetzt in großem Maßstab denken. Wir müssen unser Geschäft in größerem Stil organisieren. Du hast doch auch gesehen, welch riesige Mengen Gemüse diese Leute aus Jerusalem essen, Linsen, Kopfsalat, Gurken, Schwarzwurzeln, Zichorien, Artischocken. Wir können ihnen alles verkaufen, was wir anbauen, und noch mehr, wenn...«
    Der typische Akzent von Galiläa. Ein Bauer. Auch Jossie war wohl ein Bauer.
    »Klar«, erwiderte der andere, dieser Jossi, »aber denk an die vielen Esel und Maultiere, die wir brauchten, um das alles nach Jerusalem zu bringen! Und dann die Ernährung der Tiere! Und was bleibt denn von dem Salat und den Zichorien nach fünf Tagen in der Sonne auf dem Rücken eines Maultiers?«
    Die Stimmen näherten sich der Tür. Es klopfte, und die Männer traten ein, ohne die Antwort abzuwarten. Nur Jesus war da, er hockte auf dem Boden und knabberte an in Wasser getränkten Lupinenkernen. »Ist Simon...«, begann einer der Bauern. Da bemerkte er Jesus und verstummte.
    »Simon wird bald zurückkommen«, sagte Jesus.
    Die Lippen des Besuchers bewegten sich, er brachte aber kein Wort heraus. Jesus lächelte, stand auf und strich über sein Gewand.
    »Ihr wart also in Jerusalem«, meinte er dann höflich, um das Schweigen zu brechen.
    »Meister!« schrie einer der Bauern. »Die Stadt spricht von nichts anderem als davon, was du im Tempel getan hast!«
    Mehrere Jünger, beladen mit Lebensmitteln, kamen nun herein. »Paßt auf, wenn ihr mit den Leuten in Jerusalem Geschäfte macht«, sagte Jesus zu den beiden immer noch verblüfften Bauern, »manche Händler sind nur aufs Geld aus.«
    »Meister!« sagte wieder der, den man Jossi nannte. »Man sagt, daß sogar Herodes dich sehen will!«
    »Dieser Fuchs!« murmelte Jesus nachdenklich. »Und ich nehme an, daß, nachdem wir den Tempel verlassen haben, die Händler und Geldwechsler wie gewöhnlich ihre Geschäfte wiederaufgenommen haben. Man wird einfach nur ein paar mehr Wächter an den Toren postiert haben, für den Fall, daß ich wiederkommen sollte«, fügte er mit einem Hauch von Sarkasmus zu seinen

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