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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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später warf ihm ein Soldat tatsächlich einige Rauteblätter herunter, sie taumelten im Luftzug hin und her, bevor sie zu Boden fielen. Eine Ratte stürzte sich darauf.
    »Nimm die Raute, Mann, du wirst sonst überschnappen! Trink Wasser!« schrie der Soldat oben.
    »Sagt ihnen, sie sollen zu schreiben aufhören!« schrie Jokanaan. Erschöpft fiel er auf die Knie, dann zur Seite und versank in wirren Visionen. Qumran brannte, Flammen stiegen aus dem Toten Meer auf, und Salzstatuen glitzerten in der Asche. Jede stellte einen früheren Gefährten dar. Nur eine einzige menschliche Gestalt durchschritt das Feuer, das war Jesus. Seine nackten Füße berührten die Glut, Rauch ringelte sich um ihn, und sein Gesicht war dem roten Himmel zugewandt. Und er, Jokanaan, küßte ihm, dem Überlebenden, die Füße, das Gesicht und die Hände, und wühlte in den verbrannten Schriftrollen. Er verlor das Bewußtsein.
    Als er wieder erwachte, saß er auf dem kühlen Boden. Ein Soldat hielt seinen Kopf und half ihm, aus einem Krug zu trinken. Es war derselbe, der ihn in der Wüste am Feuer um Verzeihung gebeten hatte. Ein anderer Soldat beobachtete alles. Drei tote Ratten lagen einige Schritte entfernt, ihre roten und rosafarbenen Eingeweide glitzerten still im Licht. Die Soldaten gingen und nahmen die Ratten, die sie am Schwanz hielten, mit. Jokanaan schaute zum Fenster, doch das Licht war zu grell. Er sah nur ein schwarzes Kreuz auf dem Feuer tanzen.
     
    Jesus hatte gerade Kafarnaum erreicht, als zwei Schüler von Jokanaan ihn von dessen Verhaftung informierten. Er war auf einem Fest, das ein Offizier aus Herodes’ Haus für ihn gab. Seinen Sohn hatte Jesus mit Hilfe von Weidenrindeneinreibungen von einem bösen Fieber geheilt. Die Kitharen klangen, junge Mädchen sangen. Maria Magdalena saß zu seinen Füßen, und Thomas trank Wein. Sie sahen, wie er aufstand und ging; er sagte, er wolle allein sein.
    Er ging am Ufer entlang und dachte an jene lang entschwundene Nacht, in der er mit seinem Vetter über den Messias geredet hatte. Am anderen Ufer grollte ein Gewitter. Es klang wie ein Trommelwirbel.
     

XIV.
     
    Die Wegkreuzung
     
    Schwarze Wolken türmten sich über Kafarnaum, und der Wind heulte wie ein Rudel Hunde. Der See Gennesaret hatte sich in ein schäumendes Ungeheuer verwandelt. An der Tür eines Hauses am Seeufer tauchte eine Fackel auf, die in dem Unwetter unruhig flackerte, ringsum leuchteten Gesichter auf, und Stimmen riefen durcheinander.
    »Sucht ihn am Ufer!«
    »Vielleicht hat er vor dem Unwetter ein Boot genommen und ist anderswo an Land gegangen!«
    »Oder er ist in meinem Haus«, meinte Andreas, »ich gehe und seh’ nach.«
    Man entzündete an der ersten Fackel eine weitere, und drei Jünger gingen in ihrem Schein, der das aufgewühlte Wasser rot färbte, am Ufer entlang. Zwei andere liefen in die entgegengesetzte Richtung, während Andreas und Simon Petrus keuchend gegen den Wind ankämpften, in der Hoffnung, ihren verschwundenen Herrn im Haus von Andreas anzutreffen. Thomas blieb in der Dunkelheit zurück und zog seinen Mantel so fest wie möglich um sich. Er sah sich um und entdeckte Natanael, vom Unwetter ganz zerzaust, einige Schritte von dem Haus entfernt, in dem sie so ausgelassen gefeiert hatten, daß sie Jesus’ Weggang gar nicht bemerkt hatten.
    »Und wo suchen wir?« fragte Natanael herausfordernd.
    »Ich suche ihn nirgends«, erwiderte Thomas. »Er ist seit fast drei Stunden verschwunden. Wenn er unsere Gesellschaft wollte, wäre er zurückgekehrt.«
    »Worauf wartest du also?«
    »Ich warte nicht. Ich schnappe ein bißchen frische Luft. Geh schlafen.«
    »Wer kann schon schlafen?«
    »Und wenn er für mehrere Tage weg ist?«
    »Worum geht es denn nun?« fragte Natanael.
    »Man hat Jokanaan verhaftet. Herodes’ Garde.«
    »Nun, er ist im Gefängnis, er ist nicht tot.«
    »Er wird es bald sein. Herodias wird ihm nicht verzeihen.«
    »Und?«
    Immer mehr Blitze fuhren hernieder, und in ihrem Schein konnte man sehen, wie eine Regenwand quer über den See auf sie zukam. Sie flüchteten sich unter einen Vorbau.
    »Jokanaan ist der Mensch, der Jesus am nächsten steht. Sie sind nicht nur Vettern, sondern waren auch zusammen bei den Essenern und sind zusammen dort weggegangen. Jokanaan ist derjenige, der Jesus nach Qumran gebracht hat. Und in Qumran ist Jesus der geworden, als den wir ihn heute kennen«, erklärte Thomas.
    »Warum spricht er nie von den Essenern?« fragte Natanael. »Ich bin mir nicht

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