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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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darin liegt, muß zu ihrem Ehemann zurückkehren«, verkündete Jokanaan.
    Herodes hörte Schritte hinter sich und drehte sich um. Doch der Ambraduft hätte ihm auch so verraten, daß die dunkle Gestalt hinter ihm seine Frau war, die in Begleitung ihrer Amme das Verlies betreten hatte. In den Augen der beiden Frauen lag ein derart zorniges Funkeln, daß es Herodes einen Augenblick lang die Sprache verschlug.
    »Ich habe dich schon gehört!« schrie Herodias, während sie sich über das Gitter beugte. »Ich habe deine Worte gehört, du Giftspeier! Ein einziger Blick auf mein Bein, Heuchler, und schon würde deine falsche Tugendhaftigkeit von dir abfallen und deinen wahren Kern enthüllen! Wie eine sich häutende Schlange würdest du dich winden! Für wen hältst du dich überhaupt, daß du es wagst, einen von allen Priestern geachteten Fürsten zu verleumden? Hast du womöglich für dich allein eine neue Religion gegründet? Wenn das der Fall ist, bist du ein Abtrünniger und hättest den Tod verdient!«
    Das Echo ihrer wutbebenden Stimme hallte von Mauer zu Mauer wider, bis es von den Steinen verschluckt wurde. Ein langes Schweigen folgte. Fast hätte man meinen können, Jokanaan sei stumm geworden.
    Aber nach einer Weile erhob sich seine Stimme von neuem, klar und ungebrochen. »Ich bin nicht mehr wert als die Heuschrecke in der Wüste, Frau. Selbst ihr Leben geht erst zu Ende, wenn der Herr es beschlossen hat, und mit meinem wird es ebenso sein. Meine Stimme gehört nicht mir, und die Worte, die dich aufwühlen, werden von ihr nur übermittelt; es sind die Worte des Herrn. Merk dir das und zögere nicht, Frau des Philippus, denn das Ende ist nah! Hast du denn keine Ohren? Hörst du nicht jenes Grollen, das ohne Unterlaß Tag und Nacht ertönt und ständig lauter wird? Durch die Schritte des Auserwählten unseres Herrn wird es hervorgerufen, Frau, es kündigt die Ankunft des Messias an! Wenn er sich im Glanz des Herrn offenbart, bleibt die Zeit stehen. Und du, Herodias, wirst ebenso wie alle anderen Geschöpfe gewogen, und ich sage dir, die Schande deines Leibes wird so schwer wiegen, daß sie die Waagschale zum Umkippen bringt und dich in die ewige Finsternis hinabwirft!«
    Die Wachen machten große Augen; ihre anfangs zynischen Mienen waren nun angstverzerrt. Herodes und Manassah bemerkten es und erschraken ebenso über die Wirkung, die die Worte des Gefangenen auf die Soldaten ausübten, wie über die Drohungen, die sie beinhalteten. Das Gesicht der Amme war aschfahl geworden, und auch aus Herodias’ geschminkten Wangen war alles Blut gewichen.
    »Du verrückt gewordener Landstreicher!« schrie Herodias, wobei ihr der Speichel aus den Mundwinkeln tropfte. »Satansfurz! Welcher Messias? Sag mir, welcher Messias? Warum läßt dein Messias denn kein Wunder geschehen und befreit dich? Warum eilt er nicht an der Spitze einer Heerschar von Engeln oder schauriger Geister herbei und holt dich aus deinem Gefängnisloch? Kannst du mir das sagen? Ich kann es: Er tut es nicht, weil es ihn nicht gibt! Ich weiß, wer der Mann ist, den du einen Messias nennst, Jokanaan. Es ist dieser Geisterbeschwörer Jesus, dieser verlauste Magier, der gemeinsam mit dir von den Essenern aus Qumran verjagt wurde!« schrie Herodias und brach in wildes Gelächter aus. »So einen nennst du Messias, den zukünftigen König Israels? Der Hunger hat dein Gehirn eintrocknen lassen, Jokanaan! Es ist zusammengeschrumpft auf die Größe des Gehirns dieser Heuschrecken, auf die du so scharf bist! Ihr seid alle beide nichts als ausgehungerte und heruntergekommene Magier! Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, was du im Gefängnis treibst, Jokanaan? Welche Streiche du dir erlaubst, um die Wachen in Erstaunen zu versetzen? In die Lüfte erhebt er sich des Nachts! Hahaha!« Sie brach in hysterisches Gelächter aus. »Wie eine Fledermaus!«
    »Frau...«, begann Herodes.
    »Laß mich aussprechen, Herodes!« befahl sie mit plötzlicher Autorität. »Zehntausende von Menschen leben in Israel, und dann‘ist da auch noch die Macht Roms. Aber dieses armselige Knochenbündel da unten wagt es, dich zu beschimpfen, dich, den Tetrarchen, und mich, deine Frau? Und er behauptet, das Ende der Welt sei nahe. Dein eigenes Ende naht, Jokanaan! Hält man ihn deshalb am Leben, damit er allen, die ihn hören, mit seinem gifttriefenden Geschwätz die Ohren vollstopfen kann?«
    Die Stimme Jokanaans stieg aus dem Kerkerloch zu ihnen empor. »Du hast noch Zeit, deine Sünden zu

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