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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Stimmst du für uns, Hananias? Ja! Bist du auch für uns, Joasar? Ja! Und du, Esra? Ja. Und du, Ismael, ja, auf dich können wir zählen! Und du, Simon? Nein, du bist gegen uns. Aber du, Gamaliel? Ja! Und auch du, Schaul! Wie denkst du, Levi ben Hananja? Ja...«
    Nach dem Aufruf stand fest, daß er die absolute Mehrheit für sich gewonnen hatte. Nur sechs Männer waren gegen Jesus’ Verurteilung. Er setzte sich wieder und kniff die Lippen zusammen.
    Josef von Arimathäa schüttelte den Kopf. Das tat er immer, wenn er die Versammlung verließ. »Und wenn es doch der Messias ist, über den wir zu Gericht sitzen werden, wenn diese unheilvolle Verhandlung stattfindet?« flüsterte er. Als er den Saal verließ, fühlte er sich noch schlechter als bei seiner Ankunft im Sanhedrin.
    Auf dem Bazar erstand ein syrischer Kaufmann gerade einen Widder; er bezahlte mit Silbermünzen. Eine der Münzen fiel ihm dabei aus der Hand und rollte Josef direkt vor die Füße. Die Sonne schien, und das Geldstück funkelte in ihrem Licht. Sowohl der Händler als auch der Syrier warteten, daß er sich bückte, um ihnen die Münze zurückzugeben. Aber Josef stieß sie mit dem Fuß von sich. Sie verlor sich zwischen den Beinen der Tempelbesucher. Bebend vor Zorn, Scham, Angst und Bitterkeit, stieg Josef die Stufen zum Tor der Opfergaben hinunter. Jemand rief hinter ihm her, doch er drehte sich nicht um. Da näherten sich ihm eilige Schritte, und kurz darauf hatte Nikodemus ihn eingeholt. Er sah alles andere als beruhigt aus.
    Die beiden Männer gingen schweigend nebeneinander.
    »Nicht einmal mehr im Gebet werde ich Ruhe finden«, murmelte Nikodemus endlich.
    »Wer hat überhaupt noch Lust zu beten?« gab Josef zurück.
     

XVII.
     
    Faszination
     
    Am frühen Morgen, um die vierte Stunde etwa, bevor sich noch die großen Hitzewellen über das Land legten, kehrte Herodes, mit dem Falken auf der Hand, in die Festung Machärus zurück. Sein Roß trabte auf der Serpentinenstraße zum großen Eingangstor empor, hinter sich die herodianische Eskorte; das im Morgengrauen erlegte Wild - ein paar Hasen waren es nur—hing baumelnd am Sattel des obersten Verwalters. Oben empfing Herodes die angenehme Kühle des Innenhofs, in dem ein Springbrunnen plätscherte; er saß vom Pferd ab, übergab den Falken dem Verwalter, der ihn wiederum an den Jagdmeister weiterreichte, und setzte sich dann auf die Plattform des Aufzugs, der zum Zwinger hinaufführte. Geniale Ingenieure, diese Römer, dachte er bei sich. Sklaven stemmten sich gegen die Kurbel, Seilstränge liefen kreischend über die Rollen, und sanft schaukelnd stieg die Plattform in dem Schacht empor, der zur knapp hundert Ellen höher gelegenen Dachterrasse führte. Er ließ seinen Blick über die vom Sonnenlicht überflutete Landschaft schweifen und betrat den Zwinger. Dienstfertig eilten die Wachen umher, kurze Befehle ertönten, Seine Herrlichkeit, der König war da! Die Höflinge Manassah und Joschua erschienen. Herodos wies nur ersteren an, in seiner Nähe zu bleiben, und ließ sich auf einen Diwan sinken. Gerührt betrachtete er einen hübschen Strauß Ranunkeln, Kornwinden und Milchsterne in einer großen, türkisfarbenen Keramikschale. Der Kontrast, den die gelben, malvenfarbenen und weißen Blüten zu dem kräftigen Türkis der Vase bildeten, ließ ein kurzes Lächeln über seine vertrockneten, fahlen Lippen huschen. Wie aufmerksam von Joschua, ihm diese Blumen aus Jerusalem holen zu lassen! Er richtete den Blick aus seinen verquollenen und von dunklen Ringen umrandeten Augen auf das kantige, gespielt sorglos dreinblickende Gesicht Manassahs, der neben ihm auf einem Hocker saß und sich durch den kunstvoll geschnittenen, schwarzen Bart strich, der seine blaugeäderten Wangen zierte.
    »Wie geht es ihm?« erkundigte er sich im Flüsterton.
    »Unverändert. Er nimmt nicht viel zu sich, nur Wasser und Brot.«
    »Man soll mir verdünnten Wein bringen! Weiß er etwas? Ruhe, die Kitharas da hinten!«
    Die Musiker dämpften ihr Spiel. Die Gedenkfeier anläßlich des Todestages Herodes’ des Großen, des Vaters ihres derzeitigen Fürsten und Tetrarchen, sollte erst am nächsten Tag beginnen; sie taten wohl besser daran, weniger lautstark zu proben.
    »Ich habe gefragt: Weiß er etwas?«
    Manassah zog die Augenbrauen hoch. »Was sollte er denn wissen?«
    »Daß er morgen womöglich hingerichtet wird, was sonst?«
    »Wird er denn wirklich hingerichtet?« fragte Manassah.
    »Du nichtsnutziger

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