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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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zu sich kam, schrie sie: »Ein Wunder!« Man gab ihr ein Geldstück und schob sie aus dem Gerichtssaal, nicht ohne sie jedoch zuvor Stillschweigen über den Fall schwören zu lassen. Maria, die man wieder hereingeholt hatte, zeigte ein verschlossenes, finsteres Gesicht.
    Josef war nicht sogleich klargeworden, wie völlig abwegig und unmöglich die Worte der Hebamme geklungen hatten. Sein verstörter Verstand hatte einzig registriert, daß Maria Jungfrau war, was nur bedeuten konnte, daß kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hatte. Er stützte den Kopf in seine Hände und weinte Tränen der Erleichterung. Als der Richter vorschlug, die Sitzung zu vertagen, damit das Gericht über das Problem beraten könne, dachte Josef nur: Welches Problem? Ist jetzt nicht alles geklärt? Erst als ein anderer Richter den Gedanken nahelegte, Maria sei womöglich gar nicht schwanger, sondern habe ein Geschwür im Bauch, und ein dritter argwöhnte, sie sei das Opfer eines Teufels in Frauengestalt geworden, da wurde Josef plötzlich die Absurdität der Situation bewußt: Maria war vielleicht Jungfrau, ja, aber sie war schwanger. Wie konnte man Wasser in einen versiegelten Krug gießen? Alle begannen sie gleichzeitig zu reden, ohne dem anderen noch zuzuhören. Simon setzte dem Durcheinander ein Ende, indem er die Stimme erhob und daran erinnerte, daß sie vor Sonnenuntergang ein angemessenes Urteil zu fallen hätten. »Ihr alle habt gehört, was die Hebamme festgestellt hat«, sagte er. »Das Mädchen ist schwanger. Es hat keinen Sinn und würde zu keinem Ende führen, darüber zu diskutieren, wie das geschehen konnte. In fünf Monaten wird ein Kind zur Welt kommen, ein uneheliches Kind. Diesen Skandal müssen wir verhindern.«
    Doch schon hatte sich ein pharisäischer Richter zu Wort gemeldet und verlangt, daß man die Hypothese vom Teufel in Frauengestalt näher untersuche, woraufhin ein Sadduzäer heftig reagierte und sich darauf berief, daß derlei Fälle im »Deuteronomium« keine Erwähnung fänden, und zwar aus dem sehr einfachen Grund, weil es Teufel ebensowenig gebe wie Engel. Josef hatte das Gefühl, einen Alptraum zu durchleben. Irgend etwas in ihm bäumte sich auf. Was war das nur für ein Gericht? Da sollte über Würde und ein Menschenschicksal entschieden werden, und diese Richter stritten sich über Engel und Teufel!
    »Selbst wenn wir annehmen, daß an dieser Vermutung etwas dran ist«, wandte der Hohepriester ein, »wo würde uns das hinführen? Nehmen wir an, das Kind wird ein Dämon sein. In diesem Fall müßten wir es töten. Brüder, ich bitte euch, diesen weiteren Skandal, den wir damit schaffen würden, zu bedenken! Nicht etwa aus schlichter Vergeßlichkeit läßt das >Deuteronomium< solch einen Fall unerwähnt, sondern aus einem göttlichen Wissen um die Wirren, die er zur Folge haben würde. Ich darf euch in Erinnerung rufen, daß wir hier sind, um nach Möglichkeit einen Skandal zu vermeiden.« Dann wandte er sich an Josef: »Es scheint also, Rabbi, daß Maria durch eine besondere Laune der Natur zugleich unberührt und doch schwanger ist. Ich erkläre hiermit im Namen des versammelten Gerichts, dessen Vorsitz ich hier führe, daß wir deinen Ruf derzeit für unbescholten erachten. Loben wir den Herrn!«
    Und sie lobten alle den Herrn.
    »Und trotzdem«, fuhr Simon fort, »bleibt der Sachverhalt bestehen: Maria ist dir anvertraut worden, und nun ist sie schwanger. Wenn wir euch beide einfach so gehen ließen, wäre es außergewöhnlich schwierig, den Leuten klarzumachen, daß eine Frau ohne Mitwirkung eines Mannes empfangen kann. Böse Verleumdungen würden zirkulieren, da jedermann eine Ausflucht wittern müßte. Außerdem können weder du noch wir ein Mädchen, für das wir verantwortlich sind, der Schande, ein uneheliches Kind zu bekommen, ausliefern.« Er hatte kurz innegehalten und dann hinzugefügt: »Ich habe beschlossen, du wirst Maria heiraten.«
    »Ich habe beschlossen, du wirst Maria heiraten...«Immer noch klangen Josef diese Worte im Ohr. Der Abend war kalt. Der alte Mann rieb sich die Hände, um sich aufzuwärmen. Er wurde unruhig. Warum war es nur so still im Stall? Ein gräßlicher Gedanke tauchte in seinem Innersten auf wie eine Fledermaus, die sich auf ihr Opfer stürzt: Und wenn das Kind tatsächlich das Ergebnis eines teuflischen Werkes war? Hatte die Hebamme etwa irgendein unbeschreibliches Ungeheuer, eine geschuppte, schwarze Kreatur ans Licht der Welt gebracht? War das der Grund für

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