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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Runde. War er verrückt geworden? Als er seine Bitte wiederholte, ging Johannes den Zuber holen. Jesus schleppte ihn zu demjenigen von ihnen, der am äußersten Ende der Tafel saß — es war Andreas — und ergriff dessen Füße. Er wusch sie und trocknete sie dann ab. Alle ringsum hielten den Atem an. Dann war Judas, der Sohn des Jakob, an der Reihe.
    »Was soll...?« stammelte Matthäus, unfähig, seinen Satz zu beenden.
    Als Jesus bei Simon Petrus angelangt war, begann der alte Gefährte lautstark zu protestieren: »Niemals erlaube ich dir, meine Füße zu waschen, Meister!«
    »Wenn du dich weigerst, bist du nicht in Einklang mit mir.«
    »Dann wasch mich ganz, so werde ich vollkommen in Einklang mit dir sein!«
    »Nein, nur die Füße«, entgegnete Jesus, »nur die Füße.«
    Also wusch er allen neunen die Füße, rieb hie und da ein wenig eingetrockneten Schmutz ab, zog sich dann wieder an und setzte sich. Sie betrachteten ihre Füße, dann ihren Meister und wieder ihre Füße, als erwarteten sie, eine außergewöhnliche Veränderung an ihnen zu entdecken.
    »Versteht ihr, was ich für euch getan habe?« fragte er.
    Sie waren sprachlos vor Verwunderung.
    »Ihr nennt mich Meister und Herr«, fuhr er fort, »wenn also ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, müßtet auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich bin euch mit gutem Beispiel vorangegangen; ihr solltet tun, was ich für euch getan habe. Ich sage euch, ein Knecht ist seinem Herrn wahrlich nicht überlegen und auch ein Bote nicht dem, der ihn gesandt hat. Wenn ihr das begriffen habt, welch Glück wäre es, wenn ihr euch danach richten würdet.« Er seufzte. »Und doch wird einer von euch nicht entsprechend leben, weil er mich nicht für seinen Meister hält, obwohl er mich so genannt hat.« Bis dahin hatte er ruhig und sehr leise gesprochen, doch nun erhob er die Stimme. »Er wird mich verraten. Er hat mich schon verraten.«
    Johannes stieß einen erstickten Schrei aus.
    »Er wird sich selbst niemals von dieser Schuld befreien, und auch auf Erden und im Himmel wird ihn niemand davon befreien!« rief Jesus.
    Die Gesichter der Jünger waren schreckensverzerrt.
    »Wer ist es, Meister?« rief Judas, der Sohn des Jakob.
    »Wer ist es?« fragte auch Simon Petrus.
    »Wer?« hauchte Johannes und beugte sich weit zu Jesus vor.
    Jesus brach ein Brot, tauchte ein Stück davon in eine Schale mit gesalzenem, zerstoßenem Sesam und reichte es Judas Iskariot, der es widerwillig entgegennahm.
    »Der ist es, dem ich dieses Stück Brot reiche«, sagte Jesus.
    Judas warf das Brot fort und stürzte zur Tür. Die anderen sprangen mit großen, entsetzten Augen auf. Johannes rannte Judas hinterher, doch die Nacht hatte den Mann verschluckt. Betroffene Stille folgte dem Tumult. Nur die Fackeln knisterten.
    »Wir müssen ihn töten!« schrie Matthäus.
    »Du wußtest es schon lange, nicht wahr?« fragte Simon Petrus seinen Herrn.
    »Erst seit vorhin bin ich mir sicher. Ihn nämlich hat Josef von Arimathäa wiedererkannt, weil er ihn zusammen mit Kaiphas gesehen haben muß.«
    »Ich bringe ihn um!« schrie Jakobus.
    »Wenn du ihn wiedersiehst, wird es dafür sicher schon zu spät sein«, meinte Jesus. »Laßt uns jetzt essen!«
     

XXIII.
     
    Jerusalem am zwölften Nisan-Abend des Jahres 34
     
    Herodes Antipas griff in eine große Kupferschale und nahm sich eine der rubinroten ägyptischen Datteln, dieselbe Sorte übrigens, die Kleopatra so geschätzt hatte. Geräuschvoll biß er in das fasrige, tadellos weiße Fruchtfleisch.
    »Manassah hatte recht«, brummte er mit gespielt abwesendem Gesichtsausdruck, während seine Frau Herodias, besagter Manassah und dessen farbloser Amtsbruder Joschua aufmerksam seinen geheuchelten Überlegungen lauschten.
    Die vier saßen in einem kleinen Raum des neuen königlichen Palastes. Sie hatten sich dick eingemummt in ihre Wollmäntel, denn es war kalt in Jerusalem in diesen ersten Nisan-Tagen. Auch die beiden randvoll mit Holz gefüllten Feuerbecken konnten daran nicht viel ändern. Genaugenommen waren sie allerdings nicht zu viert, sondern zu fünft, wenn man Herodias’ Amme, diese alte Hexe, mitzählen wollte, die nur von den Falten ihres Mantels aufrecht gehalten zu werden schien. Dieses wandelnde Gespenst war Herodes zutiefst zuwider. »Manassah hat sehr richtig vorausgesagt, daß es Jesus zum Passah-Fest nach Jerusalem ziehen würde«, fuhr Herodes mit einem Seufzer fort, »und vor zwei Tagen nun hat der Mann

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