Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
auf ihn zu und reichte ihm einen Holzbalken. Ja, den Querbalken des Kreuzes.
    »Los, vorwärts«, befahl die Wache.
    Jesus versuchte, den Balken hinter sich herzuschleifen, doch dessen Gewicht ging über seine Kräfte. Er versuchte, ihn auf die Schultern zu nehmen, was jedoch nur erneut seine Wunden aufbrechen ließ, so daß er mit Mühe einen Schmerzensschrei unterdrückte.
    Die Wache mit dem Begleittrupp von sechs Mann blieb stehen. »So kommen wir niemals an«, stellte sie fest. Sie wirkte ratlos.
    Jesus sah nun in andere Gesichter, doch immer noch herrschte absolutes Schweigen. Warum hatte sich der Himmel nur so schwarz überzogen? Jemand löste sich aus der Menge der Schaulustigen und erklärte der Tempelwache, er wollte den Balken tragen. Man fragte den Mann nach seinem Namen. Simon von Zyrene. Der Befehlshabende nickte erleichtert. Simon von Zyrene führte jetzt den Zug an, während Jesus dicht hinter ihm folgte und der Begleittrupp den Schluß bildete. »Was soll denn das nun wieder?« wunderte sich eine der Tempelwachen, als sie einen Blick zurückwarf. Eine römische Sonderabteilung von zehn Soldaten folgte dem Zug. Den Tempelwachen wurde es unbehaglich zumute.
    Ein aufgeschwemmter junger Mann zeigte mit dem Finger auf Jesus. »Aha, du also wolltest den Tempel niederreißen. Jetzt sieh zu, wie du dich aus der Affäre ziehst!«
    Eine alte Frau spuckte Jesus ins Gesicht.
    Am Efraim-Tor blieb die Menge der Gaffer zurück. Am Vortag des Passah-Festes wollten sie das Heilige Jerusalem nicht mehr verlassen, denn sonst hätte man sich einer erneuten Reinigung unterziehen müssen. Nur Simon von Zyrene schien das nicht zu kümmern.
    Sie waren nicht die einzigen auf dem Golgota. Noch zwei andere waren zum Tod am Kreuz verurteilt worden. Soeben hatte man den einen hochgehievt, und nun war der andere an der Reihe. Schon streifte man ihm die zusammenziehbaren Schlingen über die Unterarme. Dann ein markerschütterndes Aufheulen: Der Henker schlug den ersten Nagel durch eines der Handgelenke. Der Gekreuzigte urinierte. Die Männer der Tempelpolizei kommentierten dies grinsend. Dann heulte der Gekreuzigte erneut auf.
    Simon setzte keuchend den Balken ab und sah Jesus lange an, bevor er sich abwandte, um wieder nach Jerusalem zurückzukehren.
    »Trink!« forderte der Befehlshabende des Begleittrupps Jesus auf und reichte ihm einen Becher, randvoll mit einem schwarzen Gebräu.
    Jesus kostete davon mit der Zungenspitze. Es war Wein, aber bitter Wohl mit einem Rauschmittel versetzt, um ihn schneller das Bewußtsein verlieren zu lassen. Sein Blick fiel auf einen der römischen Soldaten, die die Szene beobachteten. Der Römer schüttelte leicht den Kopf. Bedeutete das etwa: Nein, trink nicht? Aber er hätte es ohnehin nicht getan.
    »Bist du sicher, daß du nichts davon willst?« fragte der Befehlshabende.
    Jesus winkte ab. Es schüttelte ihn plötzlich am ganzen Körper. Er wollte, er mußte seine letzten Kräfte zusammennehmen. Und es blieben ihm doch nur so wenige!
    Sie ergriffen ihn und zogen ihn völlig nackt aus. Die Zähne klapperten ihm vor Kälte. Er spürte das rauhe Holz im Rücken, die Seile unter den Achseln. Man zog ihn hoch. Wie Feuer loderten die Wundschmerzen am Rücken auf. Dann der grauenhafte Atem des Henkers. Ein stechender Schmerz im Handgelenk. Aber es war doch nur der Körper, der zu leiden hatte. Wie war das? Die Kräfte zusammennehmen? Wieder ein bohrender Schmerz. Er hatte das Gefühl, nur noch eine gewaltige Wunde zu sein. Nun kam noch ein Schmerz, in die Füße. Er rang nach Atem. Sein Körper hing an drei Schmerzzentren. Die Muskeln seines Oberkörpers waren derart gespannt, daß er kaum noch Luft bekam. Vater! Er versuchte, nach Luft zu schnappen. Sein Mund war trocken. »Durch das Fleisch allein...«, sagte eine ferne Stimme. »Aber es ist nicht mein Körper!« antwortete eine andere Stimme tief in ihm. Vater! Luft, er brauchte Luft. Er hörte sich sagen, daß er Durst habe. Ein mit Essigwasser getränkter Schwamm wurde an seine Lippen gehoben. Er saugte ihn aus.
    »Eli, eli, lema sabachtani?« * Das Schwarz des Himmels senkte sich in ihn.
    Unter ihm Stimmen: »Du hattest kein Recht, ihm zu trinken zu geben.«
    »Ab jetzt bestimme ich hier. Befehl des Pilatus.«
    »Für alle drei Kreuze?«
    »Für alle drei. Du kannst heimgehen und dich reinigen. Auf den Sonnenuntergang wirst du ja bei diesem Wetter wohl nicht gerade warten wollen, oder?«
    »Er hat nach Eli gerufen. Wollen mal sehen, ob Eli ihn

Weitere Kostenlose Bücher