Ein Mensch namens Jesus
das waren ihre schleimigen Exkremente, die durch die elektrisch geladene Luft herabtrieften.
Die Römer fluchten. Dieser verdammte Orient!
Pilatus lag völlig zerschlagen auf seinem Bett. Das Gewitter hatte seine Rheumabeschwerden verschlimmert. Und wieder einmal juckte es ihn überall. Er kratzte sich am Kopf. Da klopfte es an der Tür.
Es war der Sekretär: »Herr, zwei Männer vom Sanhedrin bitten um eine Unterredung mit dir.«
Also war Procula in der Tat gut unterrichtet gewesen; man hatte ihr angekündigt, daß zwei Männer des Hohen Rates vorsprechen würden und daß sie darum bitten würden, man möge ihnen Jesus’ Körper überlassen. Mit ein bißchen Glück, hatten sie gesagt, könne der Gekreuzigte noch am Leben sein, vorausgesetzt, die Henker hatten ihm nicht die Schienbeine zertrümmert. Doch da die meisten Informationen, die Procula bezog, von ihrer Negerin, einem grauenhaften Klatschweib, stammten, hatte Pilatus dem keine Beachtung geschenkt. Außerdem schien es ihm, als sei das sonst so klare Urteilsvermögen seiner Frau in bezug auf diesen Jesus stark getrübt. Ob sie sich gar in ihn verliebt hatte? Jedenfalls gab es nur einen, der die Macht hatte zu verhindern, daß Jesus die Schienbeine gebrochen wurden, und das war er, Pontius Pilatus, Prokurator von Judäa. Wie konnte sich also irgend jemand, und obendrein ein Mitglied des Sanhedrin, einbilden, dieser tödliche Schlag könne womöglich unterlassen werden? Er, Pilatus, wußte sehr wohl, daß der Sanhedrin die drei Gekreuzigten noch vor Sonnenuntergang getötet sehen wollte, weil ihre Religion es verbot, am Vorabend des Passah-Festes Sterbende am Kreuz hängen zu lassen. Tja, und nun hatte er, er allein, alle miteinander, Tempelpolizei wie auch Henker, vom Golgota verscheucht. Kurz nach Sonnenuntergang wollte er Jesus heimlich vom Kreuz herunterholen lassen. Vorausgesetzt, der Mann war noch am Leben. Der Grund? Nun, um dem Sanhedrin eins auszuwischen. Er, Pilatus, würde dieser Bande von bärtigen Giftspritzern doch nicht das letzte Wort lassen! Was er mit Jesus zu tun gedachte? Wenn er ihn erst einmal nach Cäsarea oder Jericho gebracht hatte, dann würde er mit ihm vor ihrer Nase herumwedeln...
»Gut. Laß sie eintreten!«
Zwei Männer kamen herein, müde und außer Atem, eingehüllt, nein, eher verborgen in die Falten ihrer schlammtriefenden Umhänge. Diesen beiden da schien es eigenartigerweise nicht das geringste auszumachen, die Schwelle eines heidnischen Hauses zu überschreiten. Neugierig erhob sich Pilatus. Gar nicht wohl fühlte er sich. Leichter Brechreiz und Schwindelgefühl waren da plötzlich auch noch. Die beiden schoben ihre Kapuzen ein wenig zurück. Pilatus erkannte Josef von Arimathäa und Nikodemus.
»Pilatus, wir kommen, um dich zu fragen, ob wir über den Leichnam des gekreuzigten Jesus verfügen dürfen.«
»Den Leichnam? Jetzt schon?« fragte Pilatus.
»Wir kommen eben vom Golgota. Der Mann ist tot. Die Tempelpolizei hat ihm das Herz durchbohrt.«
Pilatus wurde puterrot. Seine Befehle waren also nicht ausgeführt worden! Die Tempelpolizei war auf dem Golgota geblieben. Sie hatte den Mann am Kreuz getötet.
»Womit?« wollte er wissen.
»Mit einer Lancea 12 .«
Pilatus riß die Tür auf und bellte geradezu nach draußen: »Caius!« Das blasse und faltenzerfurchte Gesicht des guten alten Caius erschien. Wie tröstlich, daß es noch solche Soldaten gab!
»Caius, der gekreuzigte Jesus soll bereits tot sein.«
»Herr, ich werde jemanden hinaufschicken, um das zu überprüfen.«
»Aber geschwind!«
Pilatus warf einen Blick auf seine Besucher. War es möglich, daß sie sich mit der Behauptung, Jesus sei tot, über ihn lustig machten, während dem gar nicht so war? Und in welcher Absicht baten diese beiden, die immerhin dem Sanhedrin angehörten, der Jesus verurteilt hatte, um den Leichnam? Procula hatte gesagt — Procula hatte bis zu einem gewissen Grad recht gehabt — , daß sie darauf hofften, Jesus möge die Kreuzigung überleben. Wozu aber jetzt noch den Leichnam? All das war ihm rätselhaft.
»Was habt ihr mit dem Leichnam vor?« erkundigte er sich.
»Ich möchte ihn in meiner Gruft bestatten. Es ist eine noch völlig ungenutzte Grabstätte«, erklärte Josef von Arimathäa.
Pilatus schenkte sich einen Becher Met ein. »Schadet ihr da nicht in den Augen des Sanhedrin gewaltig eurem Ruf?«
»Es ist allgemein bekannt, daß wir Jesus verteidigt und gegen das Todesurteil gestimmt haben«, erwiderte
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