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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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auch holen kommt!«
    Noch ein Schmerz, ein anderer, im Brustkorb. Merkwürdig, nun empfand er Erleichterung.
    Nichts geschah so, wie man es sich vorstellte. Die Seele, die dem Körper entweicht — ein Gefühl des Aufbruchs, aber wohin? Vater, Du warst nicht da, Du bist nicht mehr da, Du bist nicht mehr...
    »Ich habe dir doch gesagt, daß jetzt ich hier befehle, was zu geschehen hat. Woher nimmst du das Recht, ihm den Brustkorb mit der Lanze zu durchbohren? Mach, daß du wegkommst!«
    »Hoho, ich glaube fast, du hältst ihn auch für deinen König!«
    »Das Herz hat er nicht getroffen, sonst wäre nicht jede Menge Wasser aus der Wunde ausgetreten...«
    »So, und nun erteile ich den Befehl, daß sämtliche Tempelwachen auf Anweisung des Prokurators den Golgota zu verlassen haben!«
    »Das will ich schriftlich haben. Wo steht diese Anweisung?«
    »Hier.«
    »He, was für eine Inschrift nagelt der da oben denn hin? Was? >Jesus von Nazaret, König der Juden!< Und auch noch in drei Sprachen! So geht das aber nicht, Freundchen! Dieser Mann ist nicht unser König!«
    »Verschwindet, habe ich gesagt! Wachen, ihr verhaftet jeden von der Tempelpolizei, der sich auf dem Golgota herumtreibt!«
    »Für diese Inschrift wirst du dich vor Pilatus zu verantworten haben!«
    »Darum mach dir mal keine Sorgen! Dein Hoherpriester hat bereits versucht, sich zu widersetzen. Vergiß nicht, Jude, wir sind die Herrscher in Palästina. Wache, nimm diesen Mann auf der Stelle fest!«
    »Gut, gut, wir gehen ja schon. Also kommt, bevor wir noch mehr Ärger mit denen bekommen!«
    »Nehmt den Henker und seine Gehilfen gleich mit.«
    »Das auch noch? Aber...«
    »Ich habe Order, morgen früh, also am Sabbat und Tag eures Passah-Festes, jeden einer Geißelung zu unterziehen, der sich den Weisungen des Prokurators von Judäa widersetzt. Die Henker müssen ebenfalls den Golgota verlassen.«
    Jokanaans Stimme erfüllte die Luft. Sie sprach und sang unverständliehe Worte. »Durch das Fleisch allein!« Aber Jokanaan, das Fleisch hat doch keine Bedeutung... Der Körper, mein Körper vergeht, er ist nur das welkende Blatt eines Baumes. Meine Füße brennen, meine Brust ist ein einziges Feuermeer, meine Arme sind züngelnde Flammen, und mein Rücken ein breites, glühendes Holzscheit! Meine Kerze erlischt.
    Einer wütenden Brandung gleich, wogt finstere Nacht um mich. Eine rote Nacht. Eine Nacht aus Feuer. Das Herz — es schlägt so langsam. Wie weit ist der Weg wohl noch bis zum Stillstand? Das Wachs fließt nach allen Seiten. Die Flamme flackert und erstirbt. Eisig kalt ist es plötzlich. Der Sturm fegt über den Golgota. Das Meer der leidenden Seelen ergießt sich in Wogen über das Land. Schon ist es vor den Mauern Jerusalems. Es steigt an bis über das Kreuz hinauf. Vater, Vater...
    »Henker, ich habe Befehl gegeben, daß du und deine Helfer mit den Leuten vom Tempel verschwinden sollt. Was suchst du hier also noch?«
    »Hör mal, Römer! Die Leichen müssen noch vor Sonnenuntergang vom Kreuz runtergeholt werden. Wer soll sich darum kümmern? Wollt ihr das etwa an meiner Stelle erledigen?«
    »Ja, das machen wir. Laß deine Leiter da! Und die Zangen auch.«
    »Seit wann kümmern sich die Römer...«
    »Willst du, daß ich dich morgen geißeln lasse?«
    »Mich geißeln? Mich, den Henker? Du hast wohl zu viel Raute gefressen? Und wer soll die Kerle begraben?«
    »Du.«
    »Ich? Fluch würde über mich kommen, wenn ich nach Sonnenuntergang auf die Schädelhöhe zurückkehren wollte!«
    »Na schön, dann lassen wir sie eben auf dem Boden liegen.«
    »Leichen ohne Grabstätte? Und das am Passah-Fest?«
    »Du kannst ja auch morgen früh wiederkommen, um sie zu beerdigen. So, und jetzt geh mir nicht länger auf die Nerven!«
    Unter lautern Fluchen ziehen die Juden ab.
    Der Wind heult. Der Himmel kommt der Erde zu nahe. Es ist nicht gut, wenn der Himmel so nahe ist. Er muß oben sein. Und dort auch bleiben.
    »Cestus, du nimmst den großen Hammer des Henkers und brichst den beiden Räubern die Schienbeine!«
    Schmerzens- und Verzweiflungsschreie. Ein kurzer Schlag. Ein Krachen wie von Holz. Noch einer. Dann wieder einer. Und ein letzter. Ein Blitz erhellte die faulige Substanz, aus der der Himmel zu bestehen schien. Dann ging das, was man in Ermangelung anderer Worte wohl ein Gewitter nennen mußte, nieder. Eine Flut böser Geister ergoß sich in Strömen auf die Erde. Tote Dämonen und gefallene Engel. Alles auf einmal. Der Regen. Nein, das war kein Regen,

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