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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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wirklich zugehört. Du hast mir nicht zugehört.«
    »Was hätte ich schon hören sollen?« regte sich Herodes auf. »Du bist in Todesgefahr, und ich biete dir Sicherheit und den Thron von Judäa an gegen den schlichten Nachweis, daß du auch wirklich königlichen Blutes bist. Und was tust du? Du antwortest mir in einer Art und Weise, die kein Mensch verstehen kann. So viel Zeit haben wir nicht, um hier den ganzen Tag mit diesem Thema zu verbringen. Also, nimm dich zusammen und gib mir eine klare Antwort!«
    »Wir sprechen nicht dieselbe Sprache«, erwiderte Jesus. »Ein Lamm kann nicht lernen zu heulen.« Er schloß die Augen.
    Herodes redete und redete, doch es war, als spräche er gegen eine Wand. Und so verstummte er schließlich.
    »Was für ein Mann ist das?« sagte er dann wie zu sich selbst.
    »Der ist vom selben Schlag wie Jokanaan«, meinte Manassah. »Übrigens waren die beiden Vettern.«
    Herodes beugte sich zu Jesus vor, der immer noch mit geschlossenen Augen dasaß, und betrachtete ungläubig den Mann, der soeben ein Königreich ausgeschlagen hatte. Jesus öffnete die Augen, und sein Blick tauchte in den des Herodes: braune, müde Augen. Und schwarze, um die Iris rotgeäderte Augen.
    Hat er tatsächlich eine solch eiserne Willenskraft? fragte sich Herodes. Oder ist er vielleicht verrückt? Da war keine Herausforderung in den Augen des Gegeißelten, und auch keine heroische Entschlossenheit — nur ein Ausdruck, der sagen zu wollen schien: Du wirst es nie und nimmer verstehen.
    »Schickt ihn zu Pilatus zurück!« befahl Herodes verdrossen und fassungslos.
     
    Im ersten Stock seines Palastes ging Pilatus mit großen Schritten auf und ab. Procula saß niedergeschlagen in einem Sessel.
    »Der Gefangene ist zurück«, meldete eine der Wachen.
    »Laßt ihn heraufkommen!« befahl Pilatus.
    Procula erhob sich und warf sich, in Tränen aufgelöst, dem Eintretenden zu Füßen.
    »Steh auf«, sagte Jesus leise, »deine Tränen haben deine Sünden getilgt.«
    Pilatus beobachtete verblüfft die Szene. Procula verlangte nach heißem Wasser und Tüchern, was auch im Handumdrehen herbeigebracht wurde.
    »Laß mich deine Wunden auswaschen, ich habe Heilsalben!« bat sie. Jesus nickte. Ein Sklave half ihm beim Ausziehen seines Gewandes. Beim Anblick der schwarzen Striemen, die sich querüber seinen Rücken zogen, verzog Pilatus das Gesicht, Procula fügte dem Wasser balsamische Essenzen bei: Wegerichsaft, Nelkenöl und zerstoßene Weidenrindenstückchen. Dann tränkte sie ein Tuch darin und begann, das verkrustete Blut auf Jesus’ Rücken behutsam aufzuweichen. An etlichen Stellen trat erneut Blut aus.
    »Wir haben nicht viel Zeit«, meinte Pilatus ungeduldig. Das alles ging doch wahrhaftig über jeden gesunden Menschenverstand! Er hatte, wenn auch widerwillig, einen Mann geißeln lassen, und nun pflegte seine Frau diesen Mann vor seinen eigenen Augen!
    »Das muß sein«, erwiderte Procula.
    Wieder begann der Prokurator im Raum auf und ab zu gehen. »Ich hoffe nur, die Leute geben sich damit nun zufrieden«, murmelte er. Und zu seiner Frau gewandt: »Das muß jetzt reichen! Komm mit!« sagte er zu Jesus.
    Wieder traten sie auf die Terrasse hinaus. Hunderte von Bärten reckten sich ihnen neugierig entgegen.
    »So, seht ihn euch jetzt an!« begann Pilatus. »Ich habe nichts gefunden, was man ihm vorwerfen könnte.«
    Protestschreie, erhobene Fäuste. Dann eine Bewegung in den vorderen Reihen. Kaiphas, Hannas und Gedalja bahnten sich einen Weg zur Terrasse.
    »Laß ihn kreuzigen!« rief Kaiphas mit herrischer Stimme. Die Meute fiel lärmend in die Forderung ein.
    Pilatus zeigte buchstäblich die Zähne. »Er wurde bereits gegeißelt, er ist bestraft.«
    »Kreuzigen, habe ich gesagt«, brüllte Kaiphas.
    »Ich wiederhole, ich habe nichts an ihm gefunden, was er sich hätte zuschulden kommen lassen.«
    »Wir haben ein Gesetz, ein Gesetz, das zu respektieren sich der Cäsar verpflichtet hat, und nach diesem Gesetz muß dieser Mann getötet werden, weil er die Gotteslästerung begangen hat, sich für den Sohn Gottes auszugeben!« schrie Gedalja.
    »Bringt den Angeklagten wieder hinein!« wies Pilatus seine Soldaten an und folgte ihnen in den Palast. »Hör zu, es ist immer noch Zeit, deine Meinung zu ändern. Wer bist du?« sagte er dann zu Jesus.
    »Es wird zu nichts führen, wenn ich dir sage, daß ich der Sohn von Josef und Maria bin. Ich habe meinen Vater gefunden, und jene kennen Ihn nicht. Ich stehe für den Vater, den

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