Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
anderen vom Kreuz abzunehmen. Josef von Arimathäa, Nikodemus und der befehlshabende Zenturio steckten indessen tuschelnd die Köpfe zusammen. Zwei Soldaten hoben den eingewickelten Leichnam hoch und strebten mit ihrer Last dem nahe gelegenen Friedhof zu.
    Die drei Frauen machten sich wieder auf den Heimweg. Maria murmelte unablässig vor sich hin. Weshalb hatte man Jesus nicht das Schweißtuch übers Gesicht gelegt?
    »Und warum nur hat sich einer der Männer, die ihn in das Leichentuch gewickelt haben, so eigenartig mit seinem Arm zu schaffen gemacht?« überlegte Salome laut.
    Die alte Frau blieb mit einemmal stehen. Sie hatten soeben das Efraim-Tor passiert. Im Schein der Fackeln schienen Marias dunkel geschminkte Augen tief in ihren Höhlen einen Schrei auszustoßen, doch der Mund der Frau blieb stumm. Sie war nichts mehr als eine alte, verängstigte Königin, ohne jedes Recht, einen Ausgleich zu finden für die Enttäuschungen ihres langen Lebens. Sollte sie einen toten Messias beweinen oder sich freuen, weil eine Hoffnung blieb: die Hoffnung zu hoffen?
     
    Am Friedhof wurden Josef von Arimathäa und Nikodemus von je zwei Bediensteten erwartet. Diese führten die Soldaten, die Jesus trugen, zu einem völlig neu in den Fels gehauenen Grab, das nur eine knappe Viertelstunde vom Golgota entfernt lag. Es war eine fast würfelförmige, in den Hügel eingelassene Gruft, zu der eine niedrige, gewölbte Türöffnung führte.
    Die Bediensteten nahmen sich des Leichnams an, während Josef den Soldaten einen Beutel voll Geld gab. Dann griff er sich eine der Fackeln, die seine Bediensteten bisher gehalten hatten, und reichte die andere Nikodemus. Die Bediensteten traten in die Gruft und bahrten Jesus auf einem der vier aus den Wänden gehauenen Felssockel auf. In der Hand hielt Nikodemus immer noch das Schweißtuch, das er jetzt neben Jesus’ Kopf legte.
    Niemand sprach ein Gebet.
    Die sechs Männer verließen die Grabkammer. Ein dumpfes Knirschen war zu hören, als die Diener einen schweren, flachen Felsbrocken, der als Tür diente, vor den Eingang wälzten. Mit einem kleineren Stein verkeilten sie den Zugang. In zwei Tagen, also nach dem Passah-Fest, würde Kaiphas kommen, um die Gruft zu versiegeln. Kaum hatten sie ihr Werk beendet, sahen sie zwei Tempelwachen wie aus dem Nichts auftauchen.
    »Befehl des Hohenpriesters«, erklärte der eine. »Wir bewachen die Grabstätte.«
    Der alte Fuchs wollte sich vergewissern, daß man ihm die Leiche seines Feindes nicht stahl! Josef von Arimathäa hob die Schultern. Armer Kaiphas! Die sechs Männer traten im Schein der beiden Fackeln den Heimweg an. Ein ganzes Stück weit hinter ihnen folgten die Römer, die inzwischen ihre Arbeit auf der Schädelstätte beendet hatten. Sie gingen sich jetzt gehörig die Kehle anfeuchten. Josef von Arimathäa wandte sich ein letztes Mal um. Nur noch ein einziges Kreuz stand auf dem Golgota. Um die beiden Verbrecher herunterzuholen, hatten die Soldaten einfach die Seile gekappt, die den Querbalken mit dem Hauptpfahl verbanden. Noch halb am Holz hängend, waren die Verbrecher herabgestürzt.
    Wieder in Jerusalem, entließen Josef von Arimathäa und Nikodemus ihre Bediensteten, nicht ohne sie reichlich entlohnt zu haben. Sie selbst suchten nicht ihre Häuser auf, sondern blieben in einer dunklen Ecke vor dem Eingangstor zu Josefs Anwesen stehen. Sie sahen einander an.
    »Der Körper war nicht steif«, raunte Nikodemus schließlich dem anderen zu.
    »Ja, richtig, das habe ich auch festgestellt«, flüsterte Josef von Arimathäa. »Und du hast ihm das Schweißtuch nicht aufs Gesicht gelegt.«
    »Er war nahezu warm um den Hals herum. Und das bei diesem Wetter!« fügte Nikodemus hinzu.
    »Jedenfalls konnten wir die Beisetzung nicht abbrechen. Wir hätten schließlich den Leichnam nicht einfach so fortschleppen können. Selbst Pilatus würde uns das nicht verzeihen. Was machen wir nur?« fuhr er nach einer Weile fort. »Wer kann sagen, ob er wirklich tot
    ist?«
    »Wir können uns unmöglich in dieser Ungewißheit schlafen legen! Er braucht vielleicht Pflege. Und stell dir vor, er käme im Grab wieder zur Besinnung!«
    »Wir müssen wieder zurück«, schloß Josef von Arimathäa ihre Überlegungen ab.
    »Und die Grabwachen?...«
    »Die Wachen? Die haben auch nur ihren Preis! Könntest du mir helfen, den Stein wegzurollen? Es wäre mir lieber, wenn meine Bediensteten nichts davon erfahren.«
    »Natürlich helfe ich dir. Aber wenn du glaubst, meine und

Weitere Kostenlose Bücher