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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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sie.
    »Wohin gehen sie?« fragte Jesus.
    »Der Wind trägt den Samen«, erwiderte Josef.
    Palästina war in hellrotes Licht getaucht.
    Die Werkstatt öffneten sie wie gewohnt.
    Als erster traf Elias, der Sohn des Bäckers, ein. »Ich war mit Simeon...«, begann er.
    »Ich weiß«, fiel ihm Josef ins Wort.
    Samuel, der Handlanger des Gesellen, kam mit Verspätung. »Die Stadt ist voller Römer«, berichtete er. »Sie nehmen jeden verwundeten Mann fest. Zwölf Tote gab es bei den Juden und sieben bei den Römern.« Er schlüpfte in seine Arbeitskleidung.
    Josef vertraute Jesus die Werkstatt an und legte sich schlafen. Kurz vor Mittag wurden sie in ihrer Arbeit unterbrochen.
    »Da sind sie«, sagte Elias.
    Alle Blicke richteten sich auf die Fenster. Drei Männer kamen den Fußweg entlang, der von der Straße zur Werkstatt führte. Zwei von ihnen waren römische Soldaten. Maria, die gerade Wäsche aufhängte, lief ins Haus. Als die Männer an der Werkstattür angelangt waren, konnte man die Lederschürze des Steuereintreibers erkennen. Jesus erwartete sie mit vor der Brust verschränkten Armen. Sie musterten ihn herablassend. Inzwischen trat Josef mit drohend erhobenem Kinn auf die Schwelle des Wohnhauses.
    »Josef«, rief der Steuereintreiber, ein struppiger Mann mit krächzender Stimme, »ich bin gekommen, um den Zehnten für den Prokurator von Galiläa einzutreiben. Du mußt für deine Frau, deinen Sohn und dich sechs Denare zahlen und für jeden deinen Arbeiter einen Sesterz.«
    Er kniff die Augen zusammen und grub die Hände in seine große Schürzentasche, sei es, um sich durch die Berührung mit dem schon eingesammelten Geld zu beruhigen oder um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Das ist doppelt soviel Steuergeld wie beim letztenmal«, entgegnete Josef. »Damals hatte ich drei Denare für uns und einen Dupondius für jeden Lehrling gezahlt. Von dem Geld, das du verlangst, können wir zwei Monate leben.«
    Der Steuereintreiber blinzelte noch immer wie eine vom Tageslicht überraschte Eule. »Weigerst du dich zu zahlen?« fragte er nach einer Weile.
    »Ich weigere mich nicht zu zahlen, ich versuche nur, dir begreiflich zu machen, daß du unangemessen viel verlangst.«
    »Die Steuern wurden vom Prokurator im Namen des Cäsaren Augustus festgelegt. Ich bin nicht berechtigt, mit dir oder irgend jemand anderem darüber zu verhandeln. Hast du das Geld?«
    Die Soldaten, die in ihrer Rüstung schwitzten, traten einen Schritt vor.
    »Ich hole das Geld«, sagte Josef.
    Der Steuereintreiber und die Soldaten warteten unter den bedrohlichen Blicken der Lehrlinge. Josef kam mit einem Geldbeutel in der Hand zurück. Er knüpfte die Bänder auf und griff neunmal in den Beutel, um die Münzen herauszuholen; dabei sagte er mit lauter, weithin hörbarer Stimme: »Nimm, Zöllner, zwei Denare für meine Frau, zwei für meinen Sohn... Und hier noch zwei für mich. Zähle gut nach, Zöllner, denn es könnte das letztemal sein, daß ich dir Geld gebe! Nächstes Jahr bin ich vielleicht schon tot, und wer weiß, du vielleicht auch, und dann werden die Schakale deine herumliegenden Knochen zählen. Hier nun einen Sesterz für meinen Lehrling Elias... und einen für Jeremias... und einen für Jokanaan... schließlich einen für Ahas und einen letzten, sieh ihn dir genau an, für meinen Lehrling Zibeon. Hast du genau nachgezählt, Zöllner? Aber wie gut du auch zählen magst, der Herr jedenfalls wird am Jüngsten Tag noch genauer abzählen.«
    Jedesmal, wenn der Steuereintreiber die Hand nach den Münzen ausstreckte und dabei versuchte, näher an Josef heranzutreten, um der Demütigung zu entgehen, tat Josef einen Schritt zurück, so daß jener das Geld mit ausgestrecktem Arm in Empfang nehmen mußte. Am Ende der Zahlungszeremonie hatte der Steuereintreiber eine ungute, purpurähnliche Gesichtsfarbe angenommen, die an faules Fleisch erinnerte.
    »Und dein Geselle Simeon?« fragte er boshaft lächelnd.
    »Er ist diese Nacht gestorben, Zöllner, das weißt du genau. Es ist gefährlich geworden auf den Straßen. Nimm auch du dich in acht! Du könntest dort Dämonen begegnen.«
    Das Gesicht des Steuereintreibers lief nun violett an.
    »Du wirst nie mehr des Nachts dein Haus verlassen können, Zöllner. Nun geht es dir wie der Ratte, die nicht weiß, wann sich die Eule auf sie stürzt. Du wirst nie mehr den Mond sehen können und die Sterne. Nun aber geh, denn wenn du dich noch länger hier aufhältst, könnte man glauben, daß du mir einen

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