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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Freundschaftsbesuch abstattest, und das würde dir schaden, wenn die Leute dich für eine Freund Josefs hielten. Sie könnten dich dann um Zahlungsaufschub bitten. Lebe wohl, Zöllner!«
    Josef kehrte ihm und den Soldaten den Rücken zu. Seine Leute spuckten aus, als die Besucher abzogen.
    Eines Tages würden die Eier doch noch das Fliegen lernen müssen. Aber nicht die Eier eines Rebhuhns, nein, die eines Adlers.
     

XIII.
     
    Jokanaan
     
    Das Brot wurde gebacken und gegessen. Die Schwalben zogen davon und kehrten zurück. Wogen von Salbei- und Lavendelduft legten sich übers Land, verebbten und schwollen von neuem an. Die Mangusten erbeuteten zahlreiche Spitzmäuse, und die Igel trotzten den Kobras. Zwei Jahre vergingen. Das Brot schmeckte oft bitter.
    In der Synagoge rezitierte Jesus: »Wenn nur mein Volk auf mich hörte / Wenn nur Israel meinem Weg folgte / Dann zwänge ich bald seine Feinde in die Knie / Und streckte seine Verfolger mit meiner Hand nieder.«
    Er war jetzt bald achtzehn Jahre alt. Josefs Kräfte ließen stark nach. Seine Stimme wurde manchmal unhörbar, und die der anderen hörte er nicht mehr.
    An einem Winterabend traf Jesus zu Hause einen jungen Mann an, der vor seinem Vater stand und ihm aufmerksam zuhörte. Vielleicht ein neuer Lehrling.
    »Sohn«, sagte Josef, »dies ist dein Vetter Jokanaan, der Sohn von Elisabet, der Base deiner Mutter, und dem Priester Zacharias. Er ist so alt wie du, denn er kam nur wenige Monate vor dir zur Welt. Er ist uns besuchen gekommen.«
    »Es ist ein weiter Weg von Judäa hierher«, sagte Jesus.
    »Ich komme nicht aus Judäa, sondern aus Ptolemais«, erwiderte Jokanaan. »Mein Vater hatte dort Verwandte. Meine Eltern sind gestorben. Und nun besuche ich die noch lebenden Verwandten, bevor ich für lange Zeit fortgehe.«
    »Für lange Zeit?« fragte Jesus.
    »Für sehr lange Zeit«, sagte Jokanaan. Er war dünn, ein knochiges Nichts, und seine schwarzbraune Hautfarbe erinnerte an eine kaum verglühte Brandfackel.
    »Gehst du ins Ausland?« wollte Jesus wissen.
    Der junge Mann schien zu zögern. »Nein, ich gehe in die Wüste, dort im Süden, jenseits von Hebron.« Und er lächelte, als wolle er die Rätselhaftigkeit seiner Antwort entschuldigen. Die Zähne blitzten in seinem dunklen Gesicht auf wie funkelnde Dolche. Seine Augen aber lächelten nicht.
    »Wie lange willst du bei uns bleiben?« fragte Jesus.
    »Eine Nacht. Morgen breche ich wieder auf.«
    »Das Abendessen wird fertig sein«, sagte Josef. »Leistet mir Gesellschaft!«
    Der Handlanger Samuel kam, um ihnen Bescheid zu sagen, daß die Werkstatt geschlossen war. Josef schickte die beiden Vettern mit den Lehrlingen zum Waschen. Als sie zurückkamen, bat Maria ihren Neffen, ihr von Elisabet zu erzählen; sie weinte.
    Josef schlief am Tisch ein. Er wurde ins Bett gebracht.
    »Laß uns einen kleinen Spaziergang machen, Jokanaan!« schlug Jesus nach dem Essen vor. Sie hüllten sich in ihre Mäntel und machten sich auf zum See.
    »Was tut man denn dort in der Wüste?« fragte Jesus.
    »Ich gehe nach Qumran. Das ist ein Kloster nahe am Toten Meer. Ein Essenerkloster. Hast du schon von den Essenern gehört?«
    »Ja, einiges.«
    Der heftige Wind drückte ihnen die Mäntel eng an den Körper. »Warum hast du dich für die Essener entschieden?« begann Jesus wieder.
    »Sie haben sich noch nicht verderben lassen«, antwortete Jokanaan. Sie gelangten zu den Vororten, die sich am Seeufer entlang erstreckten. Windböen durchrüttelten, Krämpfen gleich, die Nacht.
    »Was hast du bis jetzt gemacht?« fragte Jokanaan.
    »Nichts. Ich habe das Handwerk meines Vaters erlernt. Vor einigen Jahren sind wir einmal in Jerusalem gewesen. Ich war im Tempel, ein Freund hatte mich dorthin geführt. Ich wollte Priester werden. Ein Priester kam, dann noch einer und schließlich ein dritter, und es gefiel ihnen nicht, was ich sagte. Als dann mein Vater mich holen kam, wurde mir alles klar.«
    »Klar? Was denn?«
    »Der Klerus ist korrupt, und mein Vater ist eine Art Geächteter, zu alt, um verfolgt zu werden. Ich wollte Priester werden, aber es war unmöglich, weil mein Vater nun mal ist, wie er ist, und weil...« Eine Windböe unterbrach ihn.
    »Warum wolltest du Priester werden?« fragte Jokanaan.
    »Weil ich an dem wenigen, was mein Vater mir aus den Büchern vorgelesen hat, Geschmack gefunden hatte.«
    »Und jetzt willst du nicht mehr Priester werden?«
    »Ich weiß es nicht. Geht man nach Qumran, um die Bücher zu

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