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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schenkte. Sandra hatte ihn durch ihre Nähe überredet, ein Sänger zu werden, dann verschwand sie aus seinem Leben, und Greta war es, die in der Not zu ihm hielt und in zwei Jahren so eng mit ihm zusammenwuchs, daß er niemals hätte glauben können, es würde jemals anders sein. Bis Sandra wieder zu ihm trat, in dem dunklen Salon Dr. Fischers, und ihm die Tür aufstieß zu einem anderen Leben, in das er an diesem Tag hineingesetzt wurde, das sich ihm darbot mit allem Glanz, den er mit seiner Stimme überreich bezahlte. Zwei Welten waren es, die sein Inneres zerrissen – die Welt dämonischer Leidenschaft und grenzenloser Freiheit und die Welt der stillen, aufopfernden Liebe, die Sicherheit, geborgen und zu Hause zu sein.
    Sie waren wie Feuer und Wasser, sie zerstörten in ihm die Vernunft in jenem Augenblick, als sie in seinem Inneren unmittelbar aufeinandertrafen. Was dann geschah, war die Tat eines Entwurzelten, und als er sich aufraffte, doch zu singen, für Greta zu singen, die unten in der ersten Reihe saß und flehend die Hände hob, da war seine Stimme zerbrochen, da war er ausgebrannt, hohl, nicht mehr entflammbar, da sang zwar sein Kehlkopf mechanisch, aber die Seele war zerstört, und auf ihre Trümmer stürzte die ganze Welt des Franz Krone in einem Inferno der Selbstvernichtung.
    Die Oper hatte an diesem Abend mehr als eine Stimme verloren – es gab auch den Franz Krone nicht mehr, der ein wenig scheu in seine Karriere hineinwuchs. Aus der Asche des inneren Zusammenbruchs erstand ein anderer Mensch, nicht besser als der Franz Krone, der er vordem war, nicht schlechter, als man ihn jetzt im Gedächtnis behielt – aber wacher, reifer, härter und geläuterter, ein Mensch, den das Schicksal niedergeschlagen hatte und der sich wieder stellte zu neuem Kampf.

4
    Portocheli liegt im Südosten Griechenlands, auf dem Peloponnes. Von einer Felsenküste aus mit einem schmalen Strand davor blickt man über den blauen Golf von Nauplia hinüber auf die Insel Spetsä, deren Leuchtturm des Nachts mit grellen Fingern über den Himmel streicht. Das Land ist hier rauh, die Felsen sind mit Staub überzogen, Hitze brütet im Sommer in den Schluchten und auf den Felsplateaus, während im Winter die Stürme vom Kretischen Meer herüberwehen und heulend die Spitze der Halbinsel Argolis umkreisen.
    An einem Herbsttag saßen zwei Menschen unten am wilden Strand Portochelis und sahen hinaus auf den stillen Golf. Sie waren von der Straße aus, die über Kranidion, am 1.076 m hohen Berg Didymon vorbei, nach Avgó und Nauplion führt, südlich abgebogen und hatten den kleinen, blauen Sportwagen am Rande der Felsen geparkt. Den steilen, schmalen Weg zur Küste hatten sie zu Fuß zurückgelegt, und nun lagen sie auf den Steinen und hielten die Füße in die anrollenden, salzigen Wogen des Meeres.
    »Hier bleiben und nichts mehr hören und sehen!« sagte das Mädchen und dehnte sich etwas. Sie war hübsch in ihrem knappen Badeanzug, das lange schwarze Haar wallte ihr über die Schulter und bedeckte halb die wohlgeformte Brust. »Wenn ich an morgen denke …«
    »Das eben soll man nicht, Gloria.« Der Mann, der neben ihr am Strand lag, schloß die Augen und legte die Hände unter den Kopf. »Wenn wir an morgen oder sogar an das Gestern denken, kommen wir innerlich nie zur Ruhe. Das Leben ist wie ein bedenkenloses, flatterhaftes Mädchen: Es will von Stunde zu Stunde geliebt werden, ohne Frage, was kommen mag oder gewesen ist.« Er sah zur Seite auf das schöne Mädchen und lächelte. »Küß mich, Gloria«, sagte er leise.
    Das Mädchen, das er Gloria nannte, lächelte zurück und beugte sich über ihn. Ihre Lippen berührten sich, und er umfing die schlanke Gestalt und zog sie zu sich hinunter. So lagen sie eine ganze Zeit, aneinandergeschmiegt, mit geschlossenen Augen, umrauscht von der Brandung an den Klippen und dem Wind, der sich an den Felsen brach.
    Gloria richtete sich auf und stützte sich auf die Ellenbogen, den Mann mit glänzenden Augen ansehend.
    »Morgen singen wir in Argos«, sagte sie. »Jackie hat die Verträge für eine Woche unterzeichnet. Dann will er nach Korinth und von dort nach Athen. Dort bleiben wir einen Monat.«
    »Athen!« Der Mann sah in die ziehenden Wolken über sich. Sie kamen aus dem Süden, von Afrika herüber, gefüllt mit der Hitze der Sahara. »Als Junge habe ich den Aischylos und Euripides im Urtext gelesen. Homers Ilias war unsere Klassenarbeit über zwei Jahre hin. Wie oft habe ich da

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