Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
auf dem sie mich als Baby in ihren Armen wiegt. Ihr Blick drückte völlige Hingabe aus. Ich seufzte. Auch wenn sie jetzt nicht mehr bei mir war, so hatte ich sie zumindest einmal gehabt.
»Ah«, rief Dad und zog ein Blatt Papier heraus, das über die Zeit hinweg vergilbt war und am Rand Fettflecken aufwies. »Hier ist es. Das Rezept deiner Mutter für den »Lovebird-Kuchen«, den Turteltaubenkuchen. Sie hat ihn jedes Mal, wenn wir uns gestritten hatten, zur Versöhnung gebacken, was relativ häufig vorkam, und meiner Linie überhaupt nicht zuträglich war. Ich fand das Rezept vor Kurzem, als ich hier etwas suchte. Ich hatte schon befürchtet, es verloren zu haben. Ich dachte, vielleicht würdest du es gerne haben, um es für dein Café auszuprobieren?«
Ich stellte das Babyfoto wieder auf die Kommode, ging hinüber zu Dad und schielte über seine Schulter hinweg auf das Rezept.
»Das ist wunderbar!«, sagte ich. »Joe hat erzählt, dass du ein Rezept von Mum gefunden hast.«
Dad gab mir das Blatt. In dem Moment, als ich zu lesen begann, hörte ich, wie ein Teller klirrend zu Boden fiel und Daisy mit Benji schimpfte, der sofort zu weinen anfing.
»Gütiger Gott«, stieß ich hervor. Dad und ich schauten uns alarmiert an. »Ist mit Daisy alles in Ordnung? Benji scheint sie ja an den Rand des Wahnsinns zu bringen.«
Er schüttelte verzweifelt den Kopf und seufzte.
»So sind Jungs nun mal«, meinte er nur. »Auf sie aufzupassen ist schwerer als auf Mädchen, finde ich. Sie hat’s nicht einfach mit ihm. Abgesehen davon weißt du ja, wie viel sie arbeitet.«
Er schaute einen Augenblick lang nachdenklich drein, dann zeigte er auf das Rezept.
»Aber darum geht es jetzt nicht«, sagte er und lächelte. »Ich halte hier ein wichtiges Dokument unserer Familiengeschichte in Händen!«
Ich lächelte zurück. Mum hatte das Rezept mit blauer Tinte geschrieben und mit einem Kugelschreiber ein Herz um die Worte »Audreys Lovebird-Kuchen« gemalt. Ich sah mir die Liste der Zutaten, die Zubereitungs- und Backanleitung an.
»Ich wette, er ist köstlich«, sagte ich und hörte mit einem Ohr auf den Streit zwischen Daisy und Benji. »Ich wünschte mir, Iain würde Daisy mehr helfen, aber er ist wohl ein hoffnungsloser Fall, oder?«
Ein Anflug von Zorn verfinsterte Dads Gesicht, dann schaute er traurig und seufzte. Iain, ein kanadischer Künstler, mit dem Daisy eine kurze Beziehung gehabt hatte, war Benjis Vater. Als sie ihm damals gestand, schwanger zu sein, hatte er sich geweigert, mit dem Kind etwas zu tun haben zu wollen. Mittlerweile lebte er wieder in Kanada. Dad schüttelte den Kopf und blickte zu Boden.
»Was für ein Mistkerl, sie so einfach im Stich zu lassen«, sagte ich und sprach damit laut unser beider Gedanken aus.
Dad erwiderte nichts, sondern sah nur auf seine Uhr. Er drückte mir den kastenförmigen Ordner in die Hand. Ich wusste, er sprach äußerst ungern über Iain, wahrscheinlich weil er ihm am liebsten die Beine gebrochen hätte. Obwohl mein Vater an sich die sanftmütigste Seele war, die ich kannte, konnte er fürchterlich wütend werden, wenn einer seinen Töchtern dumm kam.
Mir fiel ein Vorfall ein, als Daisy noch studierte und ihr Vermieter sie jedes Mal belästigte, wenn er die Miete bei ihr einkassierte. Nachdem Daisy das Dad unter Tränen gestanden hatte, raste der, ohne zu zögern, mit neunzig Meilen in der Stunde nach Brighton, die ganze Fahrt über klammerte er sich wütend am Lenkrad fest, versetzte dem Vermieter an Ort und Stelle einen Haken und zwang ihn, Daisy das gesamte Geld wieder zurückzugeben, bevor er ihr eine andere Unterkunft suchte.
»Ach je!«, rief er. »Tut mir leid, Eve, aber ich muss jetzt wirklich los, auf diese Wohltätigkeitsveranstaltung, um den Leuten zu zeigen, dass ich mir tatsächlich die Locken abrasiert habe.«
Er küsste mich auf die Wange, umarmte mich, und ich drückte ihn. Dann schaute er hinüber zum Fenster, wo eine Glasvase mit einem Strauß pinkfarbener Nelken, Rittersporn und Lavendel stand. Er vergaß nie, frische Blumen hinzustellen, um diesem Raum mit seinen überbordenden Erinnerungen Leben einzuhauchen.
»Ich muss nachher wieder einen frischen Strauß aus dem Garten pflücken. Bis dann. Und erzähl Joe von Ethan! Das wird er schon verstehen. Er ist ja ein guter Kerl mit einem Riesenherzen. Er liebt dich. Ich meine, er liebt dich wirklich.«
»Ich weiß«, antwortete ich und lächelte. »Ich liebe ihn auch. Tschüss, Dad.«
»Ich ruf dich
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