Ein Mistkerl zum Verlieben
über die Staaten verteilt sind, an Weihnachten weiß jeder, wohin er gehört!“
„ Ja, an Weihnachten weiß jeder, wohin er gehört“, wiederholte Vicky und war dem Fahrer dankbar. Er hatte ihr in der kurzen Zeit gezeigt, dass es gut war, nach Aspen gekommen zu sein und dass es auch für sie wieder aufwärts gehen würde. Sie war am besten Weg, aus ihrem Tal heraus zu kommen.
Nach zwanzig Minuten parkte der Fahrer den Wagen vor den Stufen, die hinauf zu Herrenhaus führten und stellte den Motor ab. Dann drückte er noch einmal den roten Knopf am Taxameter und las die Zahl ab, die es anzeigte.
„Das macht dann bitte 24,70“, sagte er, als er seinen Kopf zu Vicky umgedreht hatte.
Sie zog einen Fünfzig-Dollar-Schein aus Ihrer Manteltasche und reichte ihm den Mann.
„Der Rest ist für sie“, sagte sie.
„ Aber Ma’am, das sind fünfzig Dollar!“
„ Ich weiß – aber es ist auch Weihnachten!“
„ Vielen Dank, Ma’am!“
„ Ich danke Ihnen!“
Der Taxifahrer sah sie verblüfft an. „Wofür denn?“
„Für die angenehme Fahrt hierher und für das Gespräch!“ Sie stieg aus und rollte ihren Koffer bis zu den Stufen. Dann trug sie ihn hinauf und rollte ihn weiter auf das Haus zu. Als das Taxi wieder anfuhr, hupte der Fahrer und winkte ihr zu. Vicky winkte zurück. Der Taxifahrer hatte ihr in gewisser Weise ein kleines bisschen die Augen geöffnet. Es war Weihnachten und sie war hier in Aspen, wo sie immer glücklich gewesen war. Hier an diesem Ort, auf den sie sich das ganze Jahr über freute, der ihr schon fehlte, wenn sie am sechsten Januar zurück in Manhattan war. Natürlich war die Sache mit Mark schlimm gewesen und natürlich würde sie ihn nicht von heute auf morgen vergessen können. Ihr war klar geworden, dass Mark genau das war, was sie sich gewünscht hatte – zumindest die Version von ihm, die sie in Los Angeles kennengelernt hatte. Genau so ein Mann war es, mit dem sie sich vorstellen konnte, den Rest ihres Lebens zu verbringen. Sie würde in den nächsten Monaten vermutlich keine Männer kennenlernen und vielleicht auch die nächsten Jahre allein bleiben. Aber Mark hatte ihr gezeigt, nach welchem Mann sie Ausschau halten musste.
48
Der eisige Wind blies ihr ins Gesicht und brachte ihre Wangen zum glühen. Ihre Nasenspitze fühlte sich eiskalt an, als sie endlich am Eingangstor des Hauses angelangt war. Der Hausverwalter, der sich das Jahr über um das Haus kümmerte, hatte wie jeden Winter einen großen Kranz aus Tannenzweigen, der mit goldenen und roten Schleifen, Plastikzuckerstangen und bunten Kugeln geschmückt war, an der Tür angebracht. In der Mitte des Kranzes befand sich ein Weihnachtsmann, dessen Backen und Nase ebenso rot waren, wie Vickys.
Sie stand vor dem großen Herrenhaus und blickte es an. Eine Flut von Erinnerungen brach über sie herein. Erinnerungen an ihre Kindheit. Die Schneeflocken tanzten vom Himmel und setzten sich auf ihren Schultern, ihren Armen und ihren Beinen ab.
Als sie noch ein Kind gewesen war, als ihr Großvater noch gelebt hatte, war das erste, was er getan hatte, wenn die Familie nach Aspen gereist war, einen Rundgang über das Anwesen zu machen. Natürlich hatte Vicky ihn jedes Mal begleitet. Henry Williams und seine Enkelin begannen den Rundgang meist auf dem schmalen Weg, der links neben dem Haus zurück in den Garten führte. Sie begutachteten den winterfest gemachten Garten, den leeren, mit einer Haube abgedeckten Swimmingpool und die beiden Geräteschuppen. Zu guter Letzt machten sie jedes Jahr einen kleinen Spaziergang in den Wald, der zu dem Anwesen gehörte und genossen die Kälte, die in Kalifornien völlig fremd war. Nachdem der Rundgang erledigt war, gingen sie ins Haus, wo Vickys Großmutter und ihre Mutter für gewöhnlich schon Kaffee für Henry und Kakao mit Marshmallows für Vicky vorbereitet hatten. Während Vicky ihre kleine Reise in die Vergangenheit gemacht hatte, hatten sich Tränen in ihre Augen geschummelt. Sie zog ihre Handschuhe aus, stopfte sie in ihre Manteltasche und wischte über ihre Augen. Dann drehte sie den Türknauf und trat in das Haus ein.
Wärme strömte ihr entgegen und wunderbarer Duft von Lebkuchen und von mit Nelken gespickten Orangen drang in ihre Nase, als sie die Vorhalle des Herrenhauses betrat. Die Vorhalle war in dunklem Nussholz gehalten. Der Boden war mit schwarzen und weißen Marmorfliesen im Karomuster ausgelegt und rechts führte die große Treppe hinauf auf
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