Ein Mistkerl zum Verlieben
Unmittelbar nach dem gemeinsamen Wochenende bei ihrer Familie? Niemand arbeitete an einem Sonntagnachmittag und es gab auch mit Sicherheit keinen Termin mit Mr. Kagan. Bestimmt hatte er ein Rendezvous. Vicky versuchte, ihre Enttäuschung zu überspielen.
„ Kein Problem“, lächelte sie Mark zu und wusste im selben Augenblick, dass sie eher zerknirscht, als locker wirkte.
Der Wagen hielt vor ihrem Haus. Mark legte den Leerlauf ein, stieg aus und holte Vickys Trolley aus dem Kofferraum.
„ Soll ich dir den Koffer reintragen“, fragte er und wirkte mit seiner Sonnenbrille unnahbar.
„ Quatsch, das schaff ich schon allein!“
Sie zog den Teleskopgriff heraus und schob ihn den Koffer ein Stück die Einfahrt hinauf.
„Wir sehen uns dann, könnte aber spät werden“, sagte Mark, während er wieder in den Wagen stieg. Er legte den Rückwärtsgang ein, wendete in der Einfahrt, winkte ihr kurz zu und fuhr die Straße entlang, an deren Einmündung er nach links in Richtung City abbog.
Vicky blieb an der Einfahrt ihres Hauses stehen, bis Mark außer Sichtweite war. Sie kam sich vor wie bestellt und nicht abgeholt, hätte sich für die Dummheiten, die sie in den vergangenen Tagen begangen hatte, indem sie sich Mark an den Hals warf, selbst ohrfeigen können und hätte am liebsten losgeheult. Genau das, wovor sie sich eigentlich selbst hätte bewahren wollen, war eingetroffen. Mark hatte sie benutzt und hatte nie im Sinn gehabt, etwas Richtiges mit ihr anzufangen. Er hatte Abwechslung und Gesellschaft gesucht. Sie hatte sich wie eine Klette an ihn geklebt, während er in Gedanken vermutlich schon sein Adressbuch durchgegangen war, nach einer Frau, die er vögeln konnte, sobald er die alte, fette, hässlichen Schnepfe abgesetzt hatte, die sich ihm wie eine verrückte an den Hals warf. Dann rollte sie ihren Koffer in Richtung Eingangstüre.
Vielleicht hatte Mark ja wirklich etwas zu erledigen. Er hatte eine Menge Freunde und Bekannte hier in L.A., es war also gut möglich, dass er sich mit einem von ihnen – einem männlichen – traf. Vicky beruhigte dieser Gedanke ein klein wenig, obwohl sie insgeheim wusste, dass die Chancen eins zu einer Million stehen würden, dass Mark nur einen alten Freund traf, mit dem er eine Tasse Kaffe trank, als dass er ein Date mit einer Frau hatte. Vielleicht hatte ihn die Zeit bei ihrer Familie ja doch genervt, sodass er das verpatzte Date von letzter Woche, das er wegen Vickys Erkältung hatte platzen lassen, heute nachholte. Oder er hatte sich tatsächlich entschieden, sesshaft zu werden und wollte das Mädchen, dass er letzte Woche ihretwegen hatte sitzen lassen, fragen, ob sie an etwas Ernsthafterem als einer kurzen Affäre interessiert war.
Sie versuchte mehr schlecht als recht, sich abzulenken. Nachdem sie eine Dusche genommen hatte, hatte sie es sich auf der Terrasse in einem Liegestuhl gemütlich gemacht und versucht, zu lesen. Es war zwar unglaublich entspannend, einmal etwas anderes zu lesen, als Aussagen, Aktenvermerke, Schriftsätze und Urteile, selbst, wenn es nur der neueste Horrorroman von Edward Lee war, doch sie schaffte es nicht, sich auf die Geschichte zu konzentrieren. Ihre Gedanken huschten zwischen den einzelnen Absätzen immer und immer wieder zu Mark. Hin und wieder hatte sie ein kribbeliges Gefühl in ihrer Magengegend verspürt, gemeinsam mit dem Drang, Mark auf seinem Handy anzurufen. Was wäre schon dabei? Sie hatten fast eine Woche als „Liebespaar“ verbracht, da war es doch nur normal, ihn zu fragen, ob sie am Abend etwas unternehmen wollten. Doch sie hatte sich immer wieder dazu durchgerungen, es nicht zu tun. Mark war ein freier Mann und er würde es auch bleiben wollen. Er konnte tun und lassen was er wollte und hatte sich ihr in keinster Weise verpflichtet. Sie wusste, was für ein Typ Mann er war und es war naiv, zu denken, dass er seine Gepflogenheiten ihretwegen über Bord werfen würde. Vermutlich hatte er das Wochenende mit ihr ganz nett gefunden und einfach die Gelegenheit, die sich geboten hatte, ergriffen. Immerhin hatte er mehr als einmal versucht, sie mit auf sein Zimmer zu nehmen oder in ihres mitkommen zu können. Sie war vermutlich nur eine von vielen für ihn und jetzt längst wieder vergessen.
Als die Sonne langsam aber sicher zum Untergehen ansetzte, legte Vicky das Buch zur Seite und sah auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Als Mark sie abgesetzt hatte, war es noch nicht einmal ein Uhr gewesen. Er war
Weitere Kostenlose Bücher