Ein Mistkerl zum Verlieben
von vorn herein auf einer Lüge aufgebaut werden. Jemand wie Mark würde niemals treu sein. Wenn er das schon bei seinen Models nicht schaffte, dann erst recht nicht bei jemandem wie Vicky. Und ja, er hatte ihr Hoffnungen gemacht, als er ihr am Morgen gesagt hatte, dass er sie vermissen würde und dass er die Minuten bis zum Abend zählte. Er hatte ihr Hoffnungen gemacht, als er in L.A. neben ihr eingeschlafen war und ihr gesagt hatte, dass er noch nie eine so bezaubernde und wunderbare Frau wie sie kennen gelernt hatte und sie in seiner Zukunft eine große Rolle spielen würde, und er hatte ihr Hoffnungen gemacht, als er auf der Hochzeit ihrer Mutter so getan hatte, als wären sie auf dem besten Weg, ein Paar zu werden.
Als es an ihrer Türe klingelte, reagierte sie nicht. Mark klingelte ein zweites und dann ein drittes Mal, doch sie reagierte nicht.
„ Vicky? Süße, bist du da?“ Jetzt klopfte er.
Eine einzelne Träne lief Vickys rechte Wange hinunter. Sie hätte jetzt nichts lieber getan, als hinaus in den Flur zu laufen, die Türe zu öffnen, Mark um den Hals zu fallen und ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Ja. Sie liebte ihn und sie musste sich in dieser Beziehung auch gar nichts vormachen. Aber sie würde jetzt nicht wieder klein beigeben, wie sie es schon so oft getan hatte, sich selber anlügen, gute Mine zum bösen Spiel machen und am Ende doch alleine, mit gebrochenem Herzen, dastehen. Sie würde diese Sache sofort beenden, denn Mark war ihr in der kurzen Zeit viel intensiver ans Herz gewachsen, als all die anderen schrägen Typen, die sie bislang kennen gelernt hatte. Von ihm sitzen gelassen zu werden, würde wohl um ein vielfaches schmerzhafter sein, als von den Anderen. Es war mit Sicherheit besser, die Sache zu beenden, bevor sie begonnen hatte.
Nach einer Weile hatte Mark damit aufgehört, zu klingeln, zu klopfen und ihren Namen zu rufen. Wahrscheinlich hatte er genug davon und war nun in den nächstbesten Stripclub gegangen. Eine weitere Träne lief – dieses Mal die linke – Wange hinunter.
Die nächsten Sekunden vergingen wie Ewigkeiten. Die Luft im Appartement schien still zu stehen und die Erde schien, als habe sie aufgehört, sich zu drehen. Vickys Kopf war leer und kein einziger Gedanke schien sich darin verirrt zu haben. Ihr Kopf schmerzte, ihre Augen brannten und die Schläfen pochten wie wild. Kater Rocky, der bisweilen noch tief schlummernd zusammengerollt neben ihr auf der Couch gelegen hatte, hob plötzlich seinen Kopf und fixierte einen Punkt hinter ihr. Seine Pupillen verwandelten sich von Schlitzen zu runden schwarzen Kreisen, er duckte sich, tat, als würde er sich anschleichen und blickte in Richtung Terrasse, als würde sich dort eine überdimensionale Maus befinden.
29
„Mein Gott, Vicky, was ist denn passiert?“ Mark hatte die Schiebetür einen Spalt geöffnet und drückte sich, den dünnen Vorhang zur Seite schiebend, ins Wohnzimmer. Er wirkte fast schockiert, als er sie da wie ein Häufchen Elend auf der Couch sitzen sah. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Der Verkehrslärm, der von unten herauf drang, war fast verstummt und hier und da vernahm man das Zirpen einzelner Grillen.
Das schlechte Gewissen, das er gehabt hatte, als er angerufen hatte, war verflogen, als er Vicky sah. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. Er hasste sich für den Gedanken, der ihm im Moment durch den Kopf ging, nämlich, dass diese schlimme Sache ihm vielleicht den Arsch retten würde.
Er war am Nachmittag, nachdem er kurz in der Praxis, für die er arbeitete, vorbeigeschaut und ein Vorgespräch mit einem Mann geführt hatte, der seine Nase verkleinern lassen wollte, erst etwas essen und dann ins Solarium gegangen. New York war nicht L.A. oder Florida, wo man ganz von selbst einen Teint wie frisch aus der Karibik bekam, und für sein erstes offizielles Date mit Vicky in New York wollte er so gut wie nur möglich aussehen. Das Mädchen, dass in seinem Stammsolarium an der West Side arbeitete, kannte er nicht, was aber nicht weiter schlimm war. Die Mädchen dort gaben sich im Monatstakt die Klinke in die Hand, weil die Eigentümerin des Solariums ziemlich eigenwillig war und es auch mit der Bezahlung nicht so genau nahm. Sie stellte sich als Shelley vor und war – wie Mark bemerkte – von dem Augenblick, an dem er den Laden betrat, angetan von ihm. Als sie ihn in die Bräunungskabine führte, machte sie ihm ein eindeutiges Angebot. Doch mit
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