Ein Mörder unter uns
Sie hätten ohnehin demnächst die Wahrheit über
den alten Irv herausfinden müssen; und ich hielt es
für besser, wenn Sie es von einem Freund erfahren. Sicher, es tut weh, aber
doch nicht so sehr, als wenn es Sie völlig ahnungslos getroffen hätte.«
Sie hob das tränenüberströmte
Gesicht und rümpfte ein wenig die Nase. »Ich weiß nicht, was ich davon halten
soll, Rick, ehrlich nicht .«
»Es ist ohnehin an der Zeit,
daß ich mit meinen philosophischen Betrachtungen aufhöre«, sagte ich. »Sehen
Sie aus dem Fenster und sagen Sie mir, wo wir sind, ja ?«
Sonia spähte gehorsam durch die
Windschutzscheibe und das Nebenfenster, wobei sie mit einem völlig
unzureichenden Taschentuch ihr Gesicht ab trocknete. »Höchstens hundert Meter
vom Haus entfernt, glaube ich .«
»Es sieht so aus, als ob wir
gehen müßten«, sagte ich. »Es macht Ihnen mit Ihrem Regenmantel doch nichts
aus, oder ?«
Sie zog erneut die Nase kraus
und kicherte gleichzeitig. » Naß bin ich ohnehin.
Schlagen Sie Ihre Frauen immer, Rick Holman ? Oder nur
die, die Ihnen unmoralische Angebote machen?«
»Meistens die kleinen, die
nicht weit genug heraufreichen, um zurückschlagen zu können«, sagte ich.
»Dieses ganze Unternehmen kann ein großer Reinfall werden, Süße, aber wir
werden uns wie heldenhafte Indianer verhalten, bis wir es mit Sicherheit
wissen. Wenn wir die Zufahrt entlanggehen, bleiben Sie hinter mir und bilden
Sie sich nicht ein, daß wir alle Schwierigkeiten hinter uns haben, wenn wir im
Haus sind .«
»Hören heißt gehorchen, Herr«,
sagte sie und zog neuerlich die Nase kraus.
»Also los !«
Als wir das Einfahrtstor
erreicht hatten, hatten sich unsere Schuhe in schmierigen Schmutz verwandelt.
Ich war fast gänzlich durchnäßt , aber Sonias
Regenmantel war ein Mackintosh und wirklich
wasserdicht, so daß sie vermutlich fast gänzlich trocken war.
Zwei der Fenster an der sonst
dunklen Fassade des Hauses waren erhellt; aber als wir nahe herankamen, war
alles vollkommen still.
»Wir können durch die Garage
gehen«, flüsterte mir Sonia ins Ohr. »Soll ich Ihnen den Weg zeigen ?«
»Gut«, sagte ich und verhielt
mich wie ein stilgerechter General, der seine Truppen voranmarschieren läßt.
Vor dem Haus standen zwei
Wagen. Sonia blieb, als sie sah, plötzlich stehen, und ich rannte prompt in sie
hinein.
»Autsch !« sagte sie wild. »Selbst wenn Sie die Nachhut bilden, brauchen Sie mich nicht
über den Haufen zu rennen .«
»Sie haben kein Handzeichen
gegeben, »brummte ich. »Was ist los? Sind Sie bereits außer Atem ?«
»Diesen zweiten Wagen kenne ich
nicht«, sagte sie hinüberweisend.
»Wem gehört der erste ?«
»Alex Kirch«, sagte ich
gleichmütig.
»Vielleicht wartet ein Besuch
auf Sie«, flüsterte ich über ihre Schulter weg, wobei sie beinahe aus ihrem
Regenmantel schoß.
In der Garage war es dunkel,
aber zumindest regnete es dort nicht, überlegte ich, während ich, die Hand auf
Sonias Schulter, blinder Mann spielte und mich von ihr führen ließ. Ich
stolperte, ihr noch immer blindlings folgend, eine Holztreppe hinauf; und dann
landeten wir in einem neben der Küche entlangführenden Flur, der von einer
matten Birne ermutigend erhellt war.
»Was sollen wir jetzt tun, Rick ?« fragte Sonia leise flüsternd. Dann nahm sie mit einer
forschen Bewegung den Regenmantel ab, so daß das Ding laut klatschte.
»Leise — leise !« stöhnte ich. »Sie machen so viel Krach wie eine ganze
Armee .«
»Entschuldigung.« Sie hängte
den Mantel vorsichtig an einen Haken neben der Küchentür und sah mich dann
fragend an.
Die Pistole des Chauffeurs zog
beharrlich meine Hose über die Hüfte hinab, so nahm ich sie aus der Tasche und
reichte sie ohne überlegen Sonia. »Können Sie damit
umgehen ?« fragte ich.
»Ah!« Sie gab einen
durchdringenden Schrei von sich, als ihr klar wurde, daß es sich um eine
Pistole handelte, und ihre Hand zuckte zurück, so daß die schwere Achtunddreißiger mit lautem Knall auf den Boden flog.
»Ein Glück, daß hierzulande die
Damenkorps wieder abgeschafft worden sind !« knurrte
ich.
Ihre Augen waren etwa dreimal
so groß wie normal, während sie mich mit klappernden Zähnen anblickte. »Warum
wollen Sie mir eine P-Pistole geben ?«
»Ich hoffte, Sie würden sich vielleicht
Ihren Verstand aus dem Kopf schießen«, zischte ich. »Ach Unsinn, ich glaube,
ich habe überhaupt nichts gedacht. Lassen Sie uns im Haus Umschau halten. Wenn
jemand hier drinnen Ihren Schrei nicht
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