Ein moerderisches Geschaeft
denke, du hast ihm Angst eingejagt«, bemerkte Avery.
»Je schneller er seine Familie von uns fortschafft, um so sicherer sind sie.«
Es gab ein Polizeirevier, was einigermaßen erstaunlich in einem Ort dieser Größe war. Im gleichen Gebäude waren die freiwillige Feuerwehr und ein Burger-Imbiss untergebracht. Es gab drei Eingänge zur Straße und über allen waren Schilder angebracht. Avery und John Paul gingen durch die mittlere Tür und kamen in einen breiten Flur. Schwingtüren gingen von beiden Seiten ab. Die eine führte zum Imbiss, die andere zu den Räumen der Feuerwehr. Das Polizeirevier erreichte man, wenn man geradeaus ging.
Der Duft von frisch gebratenen Hamburgern, Zwiebeln und Pommes wehte aus dem Restaurant herüber, aber er konnte Averys Appetit nicht wecken. Er verursachte ihr vielmehr Übelkeit. Der Nahrungsmangel, die langen Märsche, die Kälte und die Angst forderten ihren Tribut. Sie war vollkommen ausgelaugt. Plötzlich war es eine größere Herausforderung, von der Tür zum Empfangstresen zu gehen, als die Stromschnellen zu überwinden. Ihre Füße fühlten sich an, als würden sie hundert Pfund wiegen, und sie musste enorme Energien mobilisieren, um sich überhaupt noch bewegen zu können.
John Paul erkannte, wie kaputt sie war. Sie verfiel geradezu vor seinen Augen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und legte den Arm um ihre Taille.
»Ich komme mir vor, als hätte die Leichenstarre schon eingesetzt«, gestand sie matt, »aber ich bin nicht tot, oder?«
Lächelnd sagte er: »Du atmest noch.«
Er spähte durch die Glastür und sah den Polizeichef, einen Mann mittleren Alters, an seinem Schreibtisch sitzen. Er brütete mit gerunzelter Stirn über einem Papierstapel. Alle paar Sekunden sah er zu dem Fernseher an der Wand auf. Er trug eine dunkelblaue Hose und ein weißes Hemd, in dessen Brusttasche der Name Chief Tyler gestickt war.
Eine Frau, die Ende sechzig sein mochte, stand mit dem Rücken zur Tür hinter dem Tresen. Ihr Haar war so weiß wie Averys Gesicht. Sie starrte gebannt auf den Fernseher.
Als John Paul die Tür aufstieß, hörte er sie sagen: »Hab ich nicht gesagt, dass etwas Schlimmes passieren wird? Hab ich dir das nicht gesagt, Bud?«
»Ja, Verna. Das hast du.«
»Und ich war immer der Meinung, dass er selbst Schuld hat, wenn es zu einer Katastrophe kommt, stimmt’s?«, fragte sie. »Jetzt rächt sich, dass er all die schönen Bäume gefällt und den halben Berg abgetragen hat, nur um sich mit diesem Luxushaus ein Denkmal zu setzen. Es ist fast, als hätte Mutter Natur zurückgeschlagen, nicht wahr?«
Der Chief achtete kaum auf ihr Geschwätz. »Ja«, erwiderte er gedehnt, während er das Papier, das er in den Händen hielt, überflog.
»Er ist ein richtiger Halunke, wenn du mich fragst. Mir tut seine Frau Leid.«
»Du meinst, seine Exfrau.«
»Richtig. Er wollte sie loswerden, um sich mit einer Jüngeren einzulassen. Das ist eine Schande, wenn du mich fragst. Das arme Ding. Er hat sie an das Luxusleben gewöhnt und ihr dann den Teppich unter den Füßen weggezogen.«
Doch der Chief war offensichtlich nicht ihrer Meinung. Er ließ das Papier fallen und schaute zum Fernseher. »›Das arme Ding‹? Hast du das Interview nicht gesehen, das sie letzte Woche gesendet haben? Sie mussten jedes Wort, das sie von sich gab, mit einem Piepston auslöschen. Ich denke, er war verrückt, dass er sie überhaupt geheiratet hat.«
»Aber wie soll sie jetzt zurechtkommen?«
»Sie kann sich einen Job suchen und arbeiten wie der Rest der Menschheit. Niemand hat ihr eine Pistole an den Kopf gehalten, als sie den Ehevertrag unterschrieben hat«, entgegnete der Chief.
John Paul und Avery hörten das Gespräch von der Tür aus mit an. Sie traten näher; der Chief wurde auf die Besucher aufmerksam, riss die Augen auf und erhob sich.
»Was ist denn mit Ihnen geschehen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich höre sie mir gern an.«
Avery ließ John Paul mit dem Chief allein und ging zum Empfangstresen. Verna schnappte erschrocken nach Luft, als sie sie sah.
»Mein Name ist Avery Delaney«, sagte Avery.
»Sie sind ja vollkommen durchnässt. Was, um Himmels willen, ist passiert? Sie sehen aus wie etwas, was meine Katze ins Haus geschleppt hat.«
Avery wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Sie sah, wie John Paul dem Polizisten die Hand schüttelte und auf dem Stuhl Platz nahm, den der ihm anbot. Sie beschloss, ihm die Erklärungen zu überlassen.
»Dürfte ich mal
Weitere Kostenlose Bücher