Ein Moment fürs Leben. Roman
zurzeit brauchte, und ich legte auch keinen Wert darauf, bei Riley und Mum in Rileys Wohnung zu übernachten.
»Na gut, du kannst auf der Couch schlafen«, kapitulierte ich schließlich und kletterte über die Rückenlehne, um in mein Bett zu kommen.
Er schlief neben MrPan auf der Couch, zugedeckt mit einer alten staubigen Wolldecke, die ich nach langem Wühlen ganz oben im Schrank gefunden hatte, während er mit der Taschenlampe leuchtete und die ganze Zeit missbilligende Schnalzgeräusche von sich gab. Zumindest hörte ich das in meinem Kopf – ein unablässiges rhythmisches tzz-tzz-tzz, wie die Großvateruhr, die bei uns früher, als ich klein war, im Flur stand. Ich hatte Angst vor ihr und konnte nachts nicht schlafen, bis ich schließlich auf die Idee kam, mein Kissen zwischen Pendel und Gehäuse zu klemmen und Riley die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Mein Leben schnarchte so laut, dass es mich fast die ganze Nacht wach hielt, was mir schon ewig nicht mehr passiert war. Als mir so gegen zwei die Sache mit der Uhr einfiel, warf ich mein Kopfkissen nach ihm, aber ich traf daneben und erreichte nur, dass MrPan ausrastete. Um vier Uhr elf sah ich das letzte Mal auf die Uhr, dann schlief ich endlich ein und wurde um sechs wieder wach, weil mein Leben duschte. Danach schlich er sich aus der Wohnung, kam allerdings schon kurz darauf wieder, ließ den Schlüssel klappernd auf die Anrichte fallen und machte überhaupt einen Heidenkrach, als wollte er das ganze Gebäude aufwecken. Ich wusste, dass er mich absichtlich störte, deshalb hielt ich die Augen mindestens zehn Minuten länger geschlossen, als ich eigentlich wollte. Schließlich aber konnte ich dem Duft nicht mehr widerstehen. Er saß an der Küchentheke und aß ein Omelett, die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, die Haare nass und nach hinten gekämmt. Er sah anders aus. Sauber.
»Guten Morgen«, sagte er.
»Wow. Wo ist dein Mundgeruch geblieben?«
Er sah beleidigt aus. »Na, egal«, sagte er und steckte die Nase wieder in die Zeitung. »Deine Worte können mir nichts. Ich hab dir Kaffee und das Kreuzworträtsel mitgebracht.«
Ich war verblüfft und ehrlich gerührt. »Danke.«
»Und ich hab eine Birne für die Badezimmerlampe gekauft. Aber reindrehen kannst du sie selbst.«
»Danke.«
»Und das Omelett ist noch warm.«
Auf der Theke stand ein Omelett mit Schinken, Käse und roter Paprika.
»Herzlichen Dank«, lächelte ich. »Das ist echt total nett von dir.«
»Kein Problem.«
Schweigend saßen wir da, aßen und hörten einem Mann und einer Frau zu, die im Frühstücksfernsehen von irgendwelchem Tratsch zu den Tagesnachrichten und von dort zu einer neuen Studie über Pubertätsakne hüpften. Die Glühbirne ersetzte ich allerdings nicht, denn das hätte zu viel Mühe und Zeit gekostet an einem Morgen, an dem ich mich ohnehin beeilen musste, weil ich mich ja hingesetzt und normal gefrühstückt hatte. Deshalb ließ ich beim Duschen die Tür offen, behielt sie jedoch im Auge, um sicherzugehen, dass mein Leben kein Spanner war. Dann zog ich mich im Bad an. Als ich herauskam, war mein Leben mit Rucksack und Knitteranzug bereits startbereit. Bisher hatte ich mich erstaunlich wohl mit ihm gefühlt, aber jetzt schöpfte ich auf einmal Verdacht. Es gab doch immer einen Haken.
»Tja, dann müssen wir uns jetzt wohl für heute verabschieden«, sagte ich hoffnungsvoll.
»Ich komme mit ins Büro«, erwiderte er.
Ich war sehr nervös, als wir meine Arbeitsstelle erreichten, zum einen natürlich, weil ich den anderen zum ersten Mal seit dem Vorfall am Dienstag wieder gegenübertrat, aber vor allem, weil mein Leben mich begleitete. Ich hoffte inständig, dass die Sicherheitskontrolle mir mindestens eins der beiden Probleme abnehmen würde. Ich zog meine ID -Karte durch, das Drehkreuz bewegte sich, um mich durchzulassen. Direkt hinter mir knallte mein Leben gegen die nächste Stange, und ich hörte, wie er ein Geräusch von sich gab, als wäre ihm die Luft weggeblieben. Es gelang mir nicht, ein schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken.
»Hey!«, rief der Sicherheitsmann. Die Leute hier waren schon unter Normalbedingungen sehr wachsam, und nach dem Vorfall mit Steve natürlich ganz besonders.
Ich drehte mich um und sah mein Leben entschuldigend an. »Ich muss mich beeilen. Wir sehen uns dann in der Mittagspause, okay?«
Ihm blieb der Mund offen stehen, aber ich drehte mich um, eilte zum Aufzug und versuchte, mich in der Menge
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