Ein Moment fürs Leben. Roman
nahm die Papiere entgegen, und während sie las, sah man ihr an, dass sie Stück für Stück begriff, worum es hier ging. »Okay, MrBrown, nehmen Sie doch bitte Platz.«
»Bitte nennen Sie mich Cosmo«, sagte er lächelnd, und mir war klar, dass das ein Seitenhieb auf mich sein sollte.
Sie sah ihn an. »Bei unserem Treffen geht es um die Ereignisse von Dienstag. Sicher ist Ihnen der Vorfall mit Steven Roberts bekannt.«
Mein Leben nickte.
»Entschuldigung, aber müssen Sie mit ihm sprechen, wenn es um mich geht?«, fragte ich. Dann schaute ich mein Leben an. »Muss sie mit dir sprechen?«
»Sie kann beim Sprechen ansehen, wen sie möchte, Lucy.«
»Aber nicht unbedingt dich.«
»Nein, nicht unbedingt.«
»Okay.« Ich sah wieder zu Edna. »Sie müssen ihn nicht ansprechen.«
»Danke, Lucy. Also, wo war ich stehengeblieben?« Sie sah mein Leben wieder an. »Wir wollen hier nicht über das reden, was mit Steve passiert ist, es sei denn, Lucy macht sich Sorgen persönlicher Natur – was mich offen gestanden nicht wundern würde. In diesem Fall bin ich als ihre direkte Vorgesetzte die Person, mit der sie über alles sprechen kann, was mit dem Vorfall zusammenhängt …«
»Äh, Entschuldigung, aber ich bin hier! Sie brauchen nicht so zu tun, als wäre ich nicht da.«
Edna sah mich an, fixierte mich mit stählernem Blick, und auf einmal wäre es mir lieber gewesen, wenn sie doch weiter mein Leben angeschaut hätte. »Dieses Meeting hat mit dem zu tun, was diese Vorkommnisse ans Tageslicht gebracht haben, nämlich, dass Sie kein Spanisch sprechen.«
»Ich kann Spanisch, aber der Druck war einfach zu groß. Mit der Pistole am Kopf konnte ich keinen klaren Gedanken fassen.«
Edna sah erleichtert aus und fuhr etwas sanfter fort: »Lucy,
ich
habe so etwas vermutet, ich meine, liebe Güte, ich konnte mich unter den Bedingungen kaum an meinen eigenen Namen erinnern und habe gehofft, dass Sie mir meine Vermutung bestätigen. Aber sicher verstehen Sie, dass ich offiziell …«
»Entschuldigen Sie, darf ich Sie kurz unterbrechen?«, fiel mein Leben ihr ins Wort.
Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Ich glaube, das ist nicht erlaubt.« Dann sah ich zu Edna. »Darf er das? Ich dachte, er soll nur beobachten und sich nicht beteiligen an Dingen …«
»Doch, doch, ich darf mich beteiligen«, korrigierte er. Dann sah er Edna an. »Ich möchte bestätigen, dass Lucy kein Spanisch spricht.«
Mir fiel die Kinnlade herunter. Ednas Fischaugen wurden riesig.
»Entschuldigung – haben Sie gesagt, sie spricht Spanisch oder sie spricht kein Spanisch?«
»Ich bestätige, dass ich gesagt habe, dass sie
kein
Spanisch sprechen kann«, sagte er langsam und betont. »Sie«, fuhr er fort und deutete mit dem Finger auf mich, damit uns allen klar war, dass er nicht etwa die künstliche Rose auf dem Tisch meinte, »sie kann kein Spanisch. Da man davon ausgehen muss, dass sie andere Menschen erneut in die Irre führen würde, scheint es mir nur recht und billig, wenn ich mich einmische und darauf aufmerksam mache.« Dann sah er mich an, als wollte er sagen:
War das okay? Habe ich das gut gemacht?
Ich war sprachlos. Mein Leben war mir in den Rücken gefallen. Auch Edna brachte für einen Moment kein Wort heraus, aber sie fand ihre Stimme rascher wieder als ich und redete an meiner Stelle weiter.
»Cosmo, Ihnen ist doch bestimmt klar, dass die Lage sehr ernst ist.«
Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat.
»Aber selbstverständlich«, beteuerte mein Leben.
»Da Lucy ja seit zweieinhalb Jahre unsere Sprachenspezialistin ist und alle Gebrauchsanleitungen übersetzt hat, muss ich mir Sorgen machen, dass sie mit ihren mangelhaften Spanischkenntnissen unsere Kunden einem großen Risiko ausgesetzt und auch die Firma in Gefahr gebracht hat. Ich meine, wer in aller Welt hat denn die spanischen Übersetzungen gemacht? Waren sie überhaupt korrekt? Oder aus dem Wörterbuch abgeschrieben?«
»Die Übersetzungen hat eine seriöse spanische Muttersprachlerin gemacht, und sie sind garantiert einwandfrei«, erklärte ich rasch.
»Woher willst du das so genau wissen?«, wandte mein Leben ein.
»Es gab nie Beschwerden«, warf ich ein, genervt, dass er mich nicht unterstützte.
»Soweit wir wissen«, gab Edna zu bedenken, und mein Leben stimmte ihr sofort zu.
»Wer ist denn diese Person, die Ihre Arbeit gemacht hat?«, fragte Edna, und man hörte ihr an, wie schockiert sie war.
»Eine seriöse …«
»Hast du schon
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