Ein Mord am Ende der Welt. Kriminalroman. (German Edition)
Schlafwandlern, die keine sein möchten…“
„Von einem Mord!“ ergänzte ich, „die Frau, die mit dem Messer in der Brust gefunden wurde!“
„Welcher Mord?“ fragte Patrick erstaunt, und ich erinnerte mich, dass Pete die Geschichte meiner Familie, aber nicht Patrick und Elle erzählt hatte. Daher fasste ich für Patrick die Geschichte noch mal zusammen und sah, wie eigenartig er darauf reagierte.
„Und Pete behauptet, dass er die Frau gesehen habe?“
„Ja, das hat er!“
„Dann muss er doch der Mörder sein, oder nicht? Ich meine, wenn er schon zugibt, in der Nacht die Frau gesehen zu haben, wie sie wegfährt und sonst bekommt niemand von den Ereignissen etwas mit. Dann muss doch klar sein, wer der Mörder der Frau ist!“
„So einfach ist das nicht!“, schaltete sich mein Vater ein, „denn erstens fehlen die Beweise und zweitens hat ja niemand behauptet, dass Pete es nicht sein kann, sondern es hat niemand bewiesen, dass er es war! Darin liegt ein gewaltiger Unterschied! Theoretisch kann der Dieb ein Geist sein, aber ich glaubte nicht, dass man so einfach sagen kann, dass der Geist, den es in diesem Hotel gibt, ein Dieb ist!“
„Das verstehe ich nicht!“ gab Patrick zu, doch ich verstand genau, worauf mein Vater hinauswollte.
„Vielleicht ergibt sich in unserem Urlaub die Gelegenheit, dass ich es dir einmal an einem tatsächlichen Beispiel erkläre, doch für den Moment…“
Mein Vater unterbrach nur sehr selten seine Rede, doch in diesem Augenblick geschah etwas höchst Interessantes. Wie gebannt blickte er in den kleinen Zwischenraum, den die Tür zum Speisesaal von der Eingangshalle preisgab, denn dort hatten sich Pete und Mr. Howell eingefunden. Wir sahen, wie der Besitzer des Hotels dem alten Mann mehrere Münzen zusteckte – auch auf die Distanz schien es viel zu viel für ein paar kleine Helferdienste, die man sich bei einem alten Mann wie Pete vorstellen mochte. Auch ich sah den Wechsel des Geldes mit an und überlegte derweil, was ich mit diesem Hinweis anzufangen vermochte.
„Das Wichtigste ist jetzt, dass wir Ruhe bewahren“, mahnte mein Vater erneut, als die beiden Beobachteten aus dem Zwischenraum verschwunden waren und wir uns geheimnisvoll anblickten. „Denn wir befinden uns eindeutig noch in der Phase, in der wir Informationen sammeln müssen, die dann erst späterhin zusammengesetzt einen Sinn ergeben. Es bringt nichts, jetzt ins Blaue hinein zu raten, um dann nachher festzustellen, dass man den Fall nicht lösen kann, weil ein kleines Puzzleteil fehlt, von dem man sich sicher ist, dass man das wegen seiner Verbohrtheit übersehen hat. Es gibt nichts Schlimmeres als Ermittler! Das kann ich euch sagen!“
9. Kapitel
„Ich glaube, wir fahren heute nach St. Levan“, schlug mein Vater vor, als wir uns von Patrick verabschiedet hatten, der zu Elle zurück wollte, die mit meiner Mutter beim Zusammenlegen der Kleidungsstücke fertig war. „Dort soll es eine große Station geben, die für die Telegraphie mit Amerika wichtig ist. Die möchte ich mir ansehen! Danach können wir etwas essen gehen und schauen uns das Städtchen an. Wenn dann noch Zeit ist, können wir an den Klippen entlang wieder zurückfahren und hier im Hotel das Abendessen genießen. Was sagt ihr?“
„Hört sich gut an!“ sagte meine Mutter und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich auch noch nie gehört, dass sie gegen einen Vorschlag meines Vaters gewesen war – ich hatte dabei immer im Sinn, dass sie einfach das Gefühl hatte, dass mein Vater nur dann etwas sagen würde, wenn er das mehrfach und vor allem gründlich durchdacht hatte.
Für mich hingegen hörte sich diese Ausfahrt nach purer Langeweile an; eine Telegraphenstation, auch wenn es die größte der Welt und die wichtigste nach Amerika wäre, machte auf mich keinen sonderlich interessanten Eindruck. Auch das Fahren an den Klippen brachte mir wenig freudige Aussichten, da ich davon ausging, dass es mit einem Wagen bedeutend weniger Spaß machte als auf dem Rücken eines Pferdes an den scharfen Kanten entlang zu reiten. Dennoch teilte ich mein Einverständnis mit und musste für mich zugeben, dass ich selbst bei dem langweiligsten Vorschlag aller Zeiten „Ja“ gesagt hätte, wenn es mein Vater vorgeschlagen würde. Da schien mir meine Mutter näher zu sein als ich es vermutet hätte!
Trotz allem konnte ich es nicht verstehen, wie wir diesen Ort des Geschehens, diesen erstmaligen Tatort, den ich in meinem Leben hautnah miterleben
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