Ein Mord am Ende der Welt. Kriminalroman. (German Edition)
geknebelten und gefesselten Francis sah, verschob mein Vater die Erklärung auf einen späteren Zeitpunkt, stellte Patrick vor und sagte diesem, dass er bald wieder mit meinem Vater, seinem Kollegen und mir ermitteln dürfe, da bald noch mehr Polizisten vor Ort auftauchen würden.
Gemeinsam gingen wir wieder aus dem Zimmer, ließen Patrick zurück und bekamen von Teresa einen starken Tee serviert, den wir in der Eingangshalle tranken, in der es wieder nach allen möglichen Düften roch, da Mr. Howell einige sonderbare Hölzer verbrannte – zur Beruhigung seiner Seele, wie er selbst sagte.
Mein Vater erklärte Oliver die Hintergründe der Festnahme und Knebelung Francis’ und erhielt auf sein Bitten eine Zusage, dass Oliver über den Diebstahl schweigen würde, sollte es zu einer Aufklärung des Mordfalls kommen.
„Ich kann es immer noch kaum glauben, dass dieser Mimp – entschuldige, O’Dofrey, der Docks-Mörder ist“, meinte mein Vater, nachdem wir drei die Ereignisse der letzten Stunden auf uns wirken ließen.
„Ja, es ist schon ein großer Zufall“, entgegnete Oliver, „dass sich in diesem Haus ein mehrfacher Mörder aufhält, während in derselben Nacht ein Mord geschieht. Und dass beide Umstände scheinbar nichts miteinander zu tun haben! Dazu ein Diebstahl, dessen Aufklärung auch nur mittels Zufall möglich war und jetzt diese Situation.“
„Diese Situation?“ fragte ich.
„Ja, diese Situation!“ antwortete Oliver, „Es ist die Situation, die du als Ermittler nicht gerade selten erlebst: du hast alle möglichen Indizien und Hinweise in deiner Hand, kannst davon ausgehen, dass du auch das meiste bereits ermittelt hast, doch das verbindende Element, das den Fall auflöst – das fehlt dir.“
„Und daher werden irgendwann viele Verbrechen als nicht lösbar klassifiziert“, erklärte mein Vater weiter, „und man ärgert sich als Polizist immer wieder über die eigene Unfähigkeit, den Fall nicht lösen zu können. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man als Ermittler einen Fall nicht lösen kann – und wenn es sich dann noch um einen Mordfall handelt, ist es doppelt und dreifach tragisch.“
„Mein Tag hingegen könnte kaum besser sein“, sagte Oliver, „denn heute Morgen noch dachte ich, dass ich zwar den Fall gelöst habe, mir jedoch der Täter abhanden gekommen ist. Den Fall zu lösen, aber den Täter entkommen zu lassen, ist noch weitaus enttäuschender als andersherum…“
„Obwohl dann immer noch die Gelegenheit besteht, dass man den Täter irgendwann fasst!“ erwiderte mein Vater.
„Das ist sicherlich richtig, John. Aber du wirst mir bestimmt nicht widersprechen, wenn ich sage. dass der Moment der Erkenntnis, dass der gesuchte Täter wie vom Erdboden verschluckt ist – den braucht kein Polizist.“
„Da stimme ich dir voll und ganz zu, Oliver!“ sagte mein Vater, nippte mehrfach an seinem Tee, und wir drei verfielen in ein Schweigen, das beinahe greifbar wurde.
22. Kapitel
„Ich denke“, sagte Oliver nach einer Weile, „dass die Lösung des Mordfalls in der Suche nach dem Motiv liegt. Wenn das Motiv geklärt ist, wird sich die Suche nach dem Mörder als verhältnismäßig leicht entpuppen!“
„Das vermute ich auch“, gab mein Vater zurück. „Aber außer einer kleinen Streiterei haben wir bisher nur die Vermutung des Vaters, dass der Mord etwas mit der Schwangerschaft der Tochter zu tun hat.“
„Irgendwo müssen wir ja ansetzen“, schlug Oliver vor. „Ich denke, die kleinen Streitereien sind sicher nicht der Auslöser für einen Mord. Die Sache, die der Vater der Toten andeutete – die sollten wir mal durchdenken.“
„Das einzige, das ich mir dabei denken kann, ist dass Esther…“
„Esther ist wer?“ fragte Oliver dazwischen.
„Esther ist die Tote“, sagte mein Vater verwundert. „Ach so, ich habe bisher immer nur von der Toten gesprochen! Entschuldige – Esther hieß die Tochter des Barons!“
„Gut – weiter!“
„Also ich kann mir nur denken, dass Esther damit gedroht hat, den Vater des Kindes anzuzeigen. Bei ihren Eltern wahrscheinlich, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihren Eltern öffentlich schaden wollte.“
„Nachdem wie du mir Esther beschrieben hast, John, kann ich mir das auch nicht vorstellen. Also sind wir jetzt an dem Punkt, dass wir vermuten, dass Esther dem Vater damit gedroht hat, seinen Namen bei den Eltern zu verraten. Vielleicht hat sie ihm einen Brief geschrieben, in dem sie ihn davor warnt.
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