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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wald.
    Hinter Conrad öffnete ein freundliches Fräulein die Türe und ersuchte ihn, weiter zu kommen.
    Eine lange Reihe von kleinen hellgelben Tischchen und auf jedem eine Schreibmaschine: so schlug sich der Büroraum auf, wie eine gerade Straße, um deren Ecke man getreten ist, und in welche man nun hineinsieht. Jedoch der Lärm war nicht überwältigend. Die meisten dieser Textklappern standen bedeckt, nur an zwei oder drei Stellen wurde diktiert. Conrad querte hinter dem dünnen Mädchen das Büro, und dann gab sie die offene Türe zum Chefzimmer frei. Viele grüne Blattpflanzen säumten das Fenster, vor welchem inwärts die breite Landschaft zweier gegeneinandergestellter Schreibtische sich aufbaute.
    »Nun also, Herr Castiletz, ich erwarte Sie schon jeden Tag«, sagte der alte Veik, grundlos aber angenehm lachend, »ja, er sieht dem Vater freilich gleich, nur eben blond, hahaha . . . gestern angekommen?!« Die Art, wie er den jungen Mann musterte, konnte für Conrad in keiner Weise peinlich sein, weil sich der Geheime Kommerzienrat an des Jünglings äußerer Erscheinung ganz unverhohlen zu erfreuen schien. »Na, gratuliere, Lorenz!« rief er laut, den abwesenden Vater anredend, »so ein Riesenjunge!« Ein Schatten flog über sein Gesicht, und seine großen blauen, schwimmenden Augen blieben plötzlich stille. Diese Augen paßten zu dem leichten, zausigen blonden Bart. Das ganze Antlitz war verdünnt, licht, wie helle Suppe.
    Nun saßen sie schon im Gespräche.
    »Sie wissen ja wahrscheinlich«, sagte der alte Veik, und zog an seiner Zigarre – Castiletz hatte als Nichtraucher die angebotene Zigarette dankend abgelehnt – »Sie wissen ja, daß es sich hier um zwei Werke handelt; nämlich um die Tuchfabrik, die Firma Carl Theodor Veik, wo wir uns jetzt befinden; jedoch ist da noch, gerade auf der anderen Seite unserer Stadt, die Gurtweberei, Firma Johann Veik und Söhne. Zwei sehr verschiedene Industrien, wie Sie zugeben werden, die miteinander schon rein gar nichts mehr zu tun haben, nein, gar nichts; hier bei uns geht es um die immer neu herzustellende Qualität, um die Mischungen und Muster, um den Schritt mit der Mode; dort um die Quantität, die Masse, die Leistungsfähigkeit in dieser Hinsicht. Und sonst – um die Jutepreise, Hanf, Flachs. Sie waren in Reutlingen. Nun gut, für Schafwolle wäre das Technikum etwa zu Kottbus der geeignetere Ort gewesen, jedoch, gleichgültig, Sie würden sich auch mit ihrem guten Reutlinger Fundament hier rasch einarbeiten. Jetzt sagen Sie aber: haben Sie für die Gurtweberei Interesse? Aufrichtig?«
    »Ja«, sagte Conrad ruhig und auftragsgemäß, weil ihm sein Vater das eingeschärft hatte, »ich glaube sogar: eine gewisse Vorliebe.«
    »Oh, sieh da«, entgegnete der alte Veik lebhaft. »Nun, Sie werden natürlich hier anfangen, bei mir, Ihr Vater hat diesen Wunsch ausgesprochen, es gibt hier am Ende auch mehr zu sehen und zu lernen für Sie. Gewiß doch. – Sie fragen mich wohl, wie das zusammenkommt, eine Gurtweberei und die Tuchfabrik; tatsächlich ist ja beides heute in meiner Hand vereinigt. Aber das sind ursprünglich Gründungen aus zwei weit voneinander entfernten Linien unserer Familie, Gründungen, die durch verschiedene Umstände, und am Ende dann noch obendrein durch das Ableben meines älteren Bruders und auch dadurch, daß mein jüngerer Bruder Robert eine andere Laufbahn erwählt hat, in einer Person sich wieder vereinigten. Nun hab’ ich drüben den vortrefflichen alten Direktor Eisenmann sitzen, na, den werden Sie ja auch noch kennenlernen. – Im übrigen, nehmen Sie das mal mit.«
    Er langte hinter sich auf ein Bücherbrett und übergab Conrad einen schmächtigen Band von der Form eines breit aufzuschlagenden Albums.
    »Das ist die Geschichte unserer Firma und also auch die meiner Familie seit einem halben Jahrhundert«, sagte er. »Wir brachten das Ding voriges Jahr heraus, als kleine Festschrift zum fünfzigjährigen Bestandsjubiläum. Sehen Sie sich’s daheim an, manches darin wird Sie interessieren. Übrigens: ich sage ›daheim‹! Und Sie sind ja vorläufig wohl nur im Hotel abgestiegen. Wo gedenken Sie zu wohnen? Bei Ihren Verwandten hier?«
    »Mein Vater wünscht, daß ich eine eigene kleine Wohnung nehme.«
    »Ausgezeichnet. Da weiß ich was für Sie.«
    Er griff zum Telephon, wählte die Nummer, dann hörte man muschlig-erstickt eine Stimme aus dem Apparat, worauf der Geheime Kommerzienrat »Finanz-Landesdirektion?« fragte und »Stelle

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