Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
fortzufahren, fragte ich sie: »Sie haben nach ihr gerufen?«
»Mehrmals sogar!« Sie beugte sich erneut zu mir vor. »Ich dachte, Mrs. Benedict wäre schon zur Galerie vorausgegangen.«
»Die Galerie schließt samstags um sechs, nicht wahr?«
»Ja, aber ich denke nicht, dass es schon so spät war. Noch lange nicht. Jedenfalls eilte ich los, so schnell ich konnte. Ich hielt mich an der Wand, immer an der Wand, bis zur Galerie. Es war nicht einfach. Fast wäre ich vorbeigelaufen, so dicht war der Nebel. Ich trat ein und fand den Assistenten. Er ist relativ neu, trotzdem erkannte er mich. Er war überrascht, mich an einem Nachmittag wie diesem allein durch die Tür kommen zu sehen. Er hatte Mrs. Benedict nicht gesehen, sagte er. Wir konnten es beide nicht verstehen. Sie war doch wohl nicht am Laden vorbeigelaufen und zu weit gegangen? Sie hätte es sicherlich bald bemerken müssen und dann kehrtgemacht. Der Assistent, ich glaube, sein Name ist Gray, ging zu Mr. Angelis, dem Geschäftsführer, ins Büro. Mr. Angelis kam nach vorn gerannt, den Stift noch in der Hand. Ich fragte auch ihn, ob er Mrs. Benedict gesehen hatte. Er bestätigte die Worte des Assistenten und sagte, nein, sie sei nicht da gewesen. Er habe sie nicht gesehen.«
Miss Marchwood faltete und entfaltete immer noch nervös die Hände, während sie redete.
»Inzwischen waren wir alle drei äußerst besorgt. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Mr. Angelis sagte, ich solle in der Galerie bleiben. Es war beinahe sechs, und bei diesem schlimmen Wetter kämen bestimmt keine Kunden mehr. Er und Mr. Gray wollten nach draußen gehen und Mrs. Benedict suchen und mich in der Galerie einschließen. Sie waren eine ganze Zeit lang weg, sicher länger als eine halbe Stunde, ohne jeden Erfolg. Mrs. Benedict war wie vom Erdboden verschluckt. Mr. Angelis hatte eine Droschke gefunden, die bereit war, einen Fahrgast zu akzeptieren. Er bestand darauf, dass ich nach Waterloo fuhr und in den Zug nach Egham stieg. Er und Mr. Gray würden unterdessen die Suche nach Mrs. Benedict fortsetzen.«
Sie verstummte. Die Meißener Uhr tickte laut vor sich hin.
»Ich wollte nicht ohne sie los«, fuhr Miss Marchwood leise fort. »Aber ich hatte sie verloren. Mr. Angelis sagte, es komme überhaupt nicht infrage, dass ich allein im Nebel umherwandere. Ich würde mich nur ebenfalls verlaufen, meinte er, und am Ende müssten Gray und er nach uns beiden suchen. Also tat ich wie geheißen und kehrte hierher zurück und überließ ihm alles Weitere.
Als ich hier ankam und Mr. Benedict erzählte, was geschehen war, erschrak er zutiefst. Sie können es sich vorstellen. Wir warteten auf Nachricht aus London, während wir die ganze Zeit hofften, dass sie nach Hause kam. Wir waren beide in einem ganz elenden Zustand. Keiner konnte einen Bissen vom Abendessen zu sich nehmen. Wir hatten eine Suppe und … und Kaffee, glaube ich. Das Essen, das die Köchin vorbereitet hatte, blieb mehr oder weniger stehen. Sie war nicht beleidigt deswegen – auch die Dienerschaft war sehr aufgeregt und machte sich Sorgen. Sie alle liebten Mrs. Benedict.
Dann – es war schon sehr spät, nach neun Uhr – tauchte Mr. Angelis vor der Haustür auf. Er war todunglücklich. Er hatte sie nicht finden können. Mr. Benedict und ich saßen hier in diesem Salon und warteten, wissen Sie, und hofften. Als wir den Besucher kommen hörten, zu so später Stunde, dachten wir natürlich zunächst, es wäre Mrs. Benedict, die endlich nach Hause gekommen wäre. Mr. Benedict sprang auf und rannte nach draußen in die Halle. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen und betete nur, dass es Allegra sein möge. Doch es war nur Mr. Angelis. Keine Allegra, und Mr. Angelis’ Gesicht verriet uns alles.«
Sie stockte und senkte den Blick. Ich wartete, bis sie sich wieder gefasst hatte. Ich konnte mir die Szene gut vorstellen. Ich wusste, wie ich mich fühlen würde, wäre Lizzie auf diese Art und Weise verschwunden.
»Mr. Benedict bewies sehr viel Mut«, fuhr Miss Marchwood schließlich fort. »Er riss sich zusammen, brachte Mr. Angelis hierher in den Salon und bestand darauf, dass er ein Glas Brandy nahm, um seine Nerven zu stärken.«
»Hatte Angelis die Polizei informiert?«, erkundigte ich mich.
»Ja, er war auf der Wache in der Little Vine Street. Er wusste nicht, was er sonst noch tun sollte. Mr. Benedict dankte ihm für seine Mühen und dafür, dass er die Polizei hinzugezogen hatte. Er sagte, es sei
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