Ein Mund voll Glück
krauste die Nase, als zöge aus der gräflichen Wohnung im Parterre der Duft von angebranntem Sauerkraut herauf, »und da hat sich Ihre Tante Hedi also aufnehmen lassen, ihr Foto in einen roten Lederrahmen gesteckt und auf die Rückseite >In Liebe — immer Deine Hannelore< geschrieben?«
»Quatsch!« sagte er grob. »Das Foto hat Hannelore Danner beigesteuert, die Tochter vom Schwanenbräu in Harpfing. Ich bin mit ihr befreundet, aber ich habe nie etwas mit ihr gehabt!« Das stimmte nun wirklich, und wenn es sonst nicht die volle und reine Wahrheit war, dann darum, weil er diesem Fabermädchen doch nicht erzählen konnte, daß er nahe daran gewesen war, bei der Wahl seiner Zukünftigen zum mindesten mit einem Auge nach Gut und Geld zu schielen...
»Warum erzählen Sie mir das eigentlich?« fragte sie in einiger Verlegenheit.
»Verdammt noch mal«, knurrte er, »weil ich mir nicht wieder einen Korb holen möchte, wenn ich Sie bitte, mit mir heute abend in irgendeiner netten Kneipe einen Schoppen Wein zu trinken oder einen Bissen zu essen!«
»Das ist aber nicht die feine englische Art, eine Dame einzuladen«, sagte Fräulein Faber hüstelnd, »und überhaupt, heute abend geht es nicht, weil ich meiner Schwester versprochen habe, mit ihr ins Kino zu gehen...«
»Was gibt’s denn?«
»Ach, eine Reprise uralter Garbo-Filme. Heute ist >Anna Karenina< an der Reihe...«
»Haben Sie schon die Karten?«
»Nicht nötig, es ist ein kleines Kino, wo man jeden Besucher mit Musik empfängt.«
»Gut«, sagte er kurzentschlossen, »dann hole ich Sie und Ihre Schwester gegen acht Uhr ab!«
»Na, hören Sie mal!« murmelte sie leicht verstört.
»Und hinterher zwitschern wir noch ein Tröpfchen. Auf Wiedersehen bis dahin!«
Und ohne ihr letztes Wort abzuwarten lief er die Treppe hinab. Der Doktor erwischte in der Nähe der Kunstakademie ein Taxi, stand eine Viertelstunde später daheim unter der Dusche und war herzlich froh, trockene Wäsche, trockene Socken und trockene Hosen auf der Haut zu spüren. Weniger wohl fühlte er sich, wenn er an die Begegnung mit Tante Hedi und Onkel Paul dachte, die ihn im Speisezimmer erwarteten und je nach Temperament begrüßten: Tante Hedi mit einem Klagelaut, Onkel Paul wortlos, dafür mit einem Schlag des Handrückens gegen die letzte Ausgabe der Abendzeitung, als gäbe er einem Schafkopfpartner mit einem Schlag auf den Kartenfächer ein scharfes Contra.
»Diese Gauner«, schnaufte er erbittert, »heben frech das Konto ab, und alles sozusagen unter Polizeischutz!«
»In was für einer Welt leben wir eigentlich?« rief Tante Hedi empört und rang die Hände.
»Nach Spinoza in der einzig möglichen«, murmelte Werner Golling.
»Spinoza...«, zischte Tante Hedi verächtlich, »der würde anders reden, wenn er heute lebte! Aber du scheinst die Sache ja recht gelassen hinzunehmen...«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«
Onkel Paul raschelte mit der Zeitung: »Schön, das Konto des Emirs haben die Banditen leergefegt, aber, zum Teufel, das heißt doch noch lange nicht, daß wir uns seinen Scheck an den Hut stecken müssen!«
»Ich fürchte, doch, Onkel Paul. Ich habe heute nachmittag lang und breit mit Herrn Steinrück über die Sache gesprochen. Die Summe, die der Emir dem Hotel schuldet, muß horrend sein, aber er weigert sich strikt, zu zahlen.«
»Dann schickst du ihm eben den Gerichtsvollzieher!«
»Ich täte es mit Vergnügen — wenn es ginge. Leider geht es nicht. Der Emir ist als Diplomat und fremdes Staatsoberhaupt jedem polizeilichen und richterlichen Zugriff entzogen. Herr Steinrück muß es schließlich wissen...«
»Diplomat müßte man sein!« knirschte Onkel Paul. »Soll ich euch erzählen, was dem Oberkoferl Ferdi neulich passiert ist? Fährt ihm doch ein besoffener Kerl mit einem Riesenschlitten direkt in seinen nagelneuen BMW hinein. Und was tut der Bursche, als der Ferdi ihn stellt? Haut ihm eine rein und braust ab! Aber das Beste kommt erst. Ein Polizist, der danebensteht, zuckt bedauernd die Schultern und sagte zum Ferdi: »Da können Sie gar nichts machen, lieber Mann, der Herr, der wo Sie soeben gefotzt hat, ist nämlich Diplomat!«
»Da hast du’s Onkel Paul. Was soll ich also tun? Soll ich zum Emir gehen und mir womöglich noch von seinen Trabanten den Bauch aufschlitzen lassen?«
»Um Himmels willen, Wernerchen, nur das nicht!« rief Tante Hedi beschwörend. »Was ist schon Geld? Die Hauptsache ist und bleibt doch die Gesundheit!«
»So einen
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