Ein Mund voll Glück
soll mich manierlich betragen — hat sie gesagt.«
»Die Blümchen sind für Ihre Schwester bestimmt«, sagte er mit einem kleinen Grinsen, »bei Ihnen war ich mir im Zweifel, ob ich mit einer Puppe oder mit Konfekt anrücken sollte. Es war wohl gescheiter, daß ich mich für Nougat entschieden habe...«
»Ich möchte wissen, was Irene über mich erzählt hat«, sagte sie und warf die Haare, die ihr Gesicht einrahmten, mit einem scharfen Ruck des Kopfes nach hinten, »in ihren Augen bin und bleibe ich die kleine Schwester, aber allmählich scheint sie es einzusehen, daß ich an den Nikolaus nicht mehr recht glaube — und an den Klapperstorch auch nicht mehr.« Sie nahm ihm die Blumen und die Konfektpackung ab: »Kommen Sie, Herr Doktor, Sie kennen sich bei uns ja schon aus...«
Er folgte ihr in die Wohnküche und durfte in dem gleichen Sesselchen Platz nehmen, das ihm Fräulein Faber vor wenigen Stunden angeboten hatte. Marion Faber fand im Regal über dem Spülbecken eine schlanke Glasvase, füllte sie mit Wasser und stellte die Nelken auf den Tisch.
»Hoffentlich ist nichts Unangenehmes passiert...«
»Keine Ahnung, was Irene plötzlich hatte«, sagte Marion achselzuckend. »Als ich heimkam, war sie gerade dabei, Eier in die Pfanne zu schlagen. Dann sah sie die Abendzeitung, die ich aus dem Geschäft mitgebracht hatte, riß sie mir aus der Hand, las die Geschichte von dem Gaunerstück in der Zentralbank — und bekam es plötzlich mit der Eile.«
»Das verstehe ich nicht...«
»Ich verstehe es auch nicht. Aber vielleicht hatte sie einen Einfall. Sie sah so erleuchtet aus. Ich möchte wetten, daß sie auf die Redaktion der Abendzeitung gelaufen ist, um die Story zu verkaufen, wie Sie dem Emir die Zähne gezogen haben. Ich habe mich krank gelacht, als Irene mir die Geschichte brühwarm auftischte — wie Ihr kostbarer Operationsstuhl flöten ging, wie die anderen Scheiche sich um die kostbaren Stockzähne rauften, und dann die blumigen Reden, die der Emir und Sie gehalten haben. Irene hat sie, kaum daß sie wieder daheim war, aus dem Gedächtnis niedergeschrieben.«
»Aber das kann sie doch nicht machen!« sagte der Doktor ziemlich verstört.
»Warum nicht? Sie können es nicht machen, aber Irene als zufällige Augen- und Ohrenzeugin hat doch nicht den geringsten Grund, sich vornehm zurückzuhalten und eine Geschichte zu vergraben, die es nur alle Jubeljahre einmal gibt.«
Der Doktor klopfte seine Jacke ab und fand die Zigaretten in der linken Tasche: »Erlauben Sie, daß ich rauche?«
»Aber bitte!«
»Darf ich Ihnen auch eine anbieten?«
»Danke, ich rauche nicht, aber wenn Sie erlauben, dann mache ich die Packung auf, die Sie mitgebracht haben. Habe ich mich eigentlich schon dafür bedankt?«
»Machen Sie doch keine Geschichten! Ich freue mich, wenn ich Ihren Geschmack getroffen habe.«
»Haben Sie«, sagte sie schlicht, »und außerdem bin ich hungrig wie ein Wolf. Mit den Eiern ist nämlich ein Malheur passiert. Das letzte, das ich in die Schüssel schlug, war schon mehr ein junger Vogel.«
Der Doktor rauchte, und Marion Faber steckte sich ein Nougathütchen genüßlich in den Mund. Sie warf dabei einen Blick auf die Uhr. Es war Viertel nach acht.
»Das Kino werden wir wohl abschreiben müssen...«
»Sie sollten sich durch mich nicht aufhalten lassen«, meinte er, »ich kann hier auch allein warten.«
»Ich bin nicht besonders scharf auf die Garbo«, sagte sie und wickelte ein Nougatröllchen aus seiner goldenen Stanniolhülle, »wir haben uns vor einigen Tagen die >Kameliendame< angesehen. Irene war von der Garbo wie immer hingerissen. Ich fand sie ziemlich mager — in jeder Beziehung...«
»Hm...!« machte er und hob die Augenbrauen.
»Sie sind ein höflicher Mensch, Herr Doktor. Meine Schwester hat einige Idole. Eines davon heißt Garbo. Und sie geht in die Luft, wenn mich ihre Götzen kühl lassen.«
»So weit sind Sie beide im Alter doch gar nicht auseinander«, meinte er.
»Es sind nur fünf Jährchen, aber Irene gehört absolut zu Ihrer Generation!«
»Soso...!« murmelte der Doktor und starrte in die Glut seiner Zigarette.
»Jetzt sind Sie beleidigt, wie?«
»Wie kommen Sie darauf? Im Gegenteil, ich finde Ihre Feststellung, daß Ihre Schwester Irene generationsmäßig mehr zu meinem als zu Ihrem Jahrgang gehört, nur ermutigend.«
Marion Faber legte das Nougatröllchen in den Karton zurück und musterte ihn, während ihre Zungenspitze rasch über die Kuppen von Daumen und
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