Ein Mund voll Glück
nach acht Tagen perfekt beherrschen werden. Patienten empfangen, Füllzement anrühren, für Mundspülwasser sorgen und so weiter und so weiter. Ihr Talent haben Sie beim Emir doch hundertprozentig bewiesen...«
Fräulein Faber sah ein wenig unglücklich aus. »Mit diesem Angebot habe ich wirklich nicht gerechnet«, sagte sie mit kleiner Stimme und hob die linke Schulter an.
»Aber ich bitte Sie, Fräulein Faber«, rief er, »wie käme ich dazu, von Ihnen eine rasche Entscheidung zu verlangen? Lassen Sie sich Zeit! Überlegen Sie sich die Sache in aller Ruhe. Aber da ich nun einmal von Fräulein Lehrbach hörte, daß Sie die Absicht hätten, eine Halbtagsstellung anzunehmen, wollte ich mit meinem Angebot nicht zu spät kommen.«
»So eilig, wie es Fräulein Lehrbach dargestellt zu haben scheint, habe ich es nicht«, sagte Fräulein Faber zögernd, »und auf jeden Fall muß ich die Sache erst mit meiner Schwester besprechen.«
»Tun Sie das! Und sollte Ihre Antwort, was ich sehr hoffe, positiv ausfallen, dann können wir uns über die finanzielle Seite der Angelegenheit später unterhalten.«
Fräulein Faber nickte sparsam. Sie schien daran zu zweifeln, daß sich des Doktors Hoffnungen erfüllen würden. Aber ein energisches Läuten der Flurglocke enthob sie einer Antwort.
»Das könnte der Glaser sein...«, meinte sie und eilte zur Tür. Es war tatsächlich der Glaser, der mit einem Lehrbuben gekommen war, um die Glasschäden im Zimmer von Herrn Wisbeck zu beseitigen. Fräulein Faber mußte den Doktor für eine Weile sich selbst überlassen.
Er schleuderte die Pantoffeln von den Füßen und ging zum Spülbecken hinüber, in dem Fräulein Faber seine Schuhe abgestellt hatte: Die Strümpfe hingen auf dem dreiarmigen Trockengestell über dem Becken. Der Doktor entfernte das Zeitungspapier, das Fräulein Faber in die Schuhe gestopft hatte. Das alte Hausmannsrezept war ihnen recht gut bekommen. Die Strümpfe waren noch immer klatschnaß. Er ließ sie hängen, schlüpfte mit den bloßen Füßen in die Schuhe und rollte die Hosen herunter. Sie boten keinen eleganten Anblick.
Fräulein Faber hatte dem Glaser inzwischen die Schäden gezeigt und erschien wieder in der Küche. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sie ging auf sechs.
»Ich habe noch einige Besorgungen zu machen«, sagte sie mit einer kleinen Geste, die den Doktor um Entschuldigung bat, daß sie ihn nun verabschieden müsse.
»Können Sie mir eine Tüte oder ein Stück Papier für meine Strümpfe geben?«
»Selbstverständlich...« Sie kramte in einer Schublade und fand eine Cellophantüte, in die sie die nassen Strümpfe hineinstopfte.
Er nahm sie ihr mit einem hingemurmelten Dank ab: »Wir sehen uns dann morgen um vier in der Praxis wieder, nicht wahr?«
»Ja, Herr Doktor, morgen um vier...«
Sie begleitete ihn auf den Korridor hinaus zur Garderobe, wo sein Schirm in dem zweckentfremdeten Butterfaß stand und wo sein Mantel noch immer tropfend auf dem Bügel hing. »Ich hinterlasse Ihnen eine ganz schöne Schweinerei«, murmelte er mit einem Blick auf die Wasserlache, die sich unter dem Mantel auf dem blankpolierten Boden gebildet hatte.
»Das ist doch im Nu weggewischt...«
Er stopfte die Sockentüte in eine der Manteltaschen und hängte sich den Mantel über den Arm...
»Vergessen Sie den Schirm nicht, Herr Doktor«, sagte Fräulein Faber und öffnete ihm die Tür. Im Zimmer von Herrn Wisbeck waren Glasermeister Brunner und sein Lehrling dabei, die im Fensterrahmen steckengebliebenen Glassplitter aus dem Kitt zu brechen.
»Dann also — auf morgen, Herr Doktor...«
Er stand mit einem Fuß bereits im Treppenhaus, aber plötzlich drehte er sich noch einmal um, als hätte er etwas Wichtiges vergessen: »Was ich noch sagen wollte, Fräulein Faber... mit dem Foto auf meinem Schreibtisch und mit dem Verlobungsring, den ich am Finger trug, verhält es sich nämlich so...«
»Sie sind mir keine Erklärung schuldig, Herr Doktor«, sagte Fräulein Faber abweisend.
»Und ob ich Ihnen eine Erklärung schuldig bin!« rief er hitzig. »Dieser ganze Verlobungsquatsch ist doch nichts als einer von Tante Hedis berühmten Einfällen. Sie hat eine ganze Menge merkwürdiger Ansichten, aber eine der merkwürdigsten ist wohl, daß ein Arzt oder Zahnarzt ihrer Meinung nach einen seriösen Eindruck machen muß, und zur Seriosität gehört, daß er, wenn er schon nicht verheiratet ist, zum mindesten verlobt sein muß...«
»Ach«, meinte Fräulein Faber und
Weitere Kostenlose Bücher