Ein Mund voll Glück
anstandslos beglichen. Eine horrende Summe... Ich gestehe Ihnen ehrlich, Doktor, wenn Fräulein Faber nicht Ihre Sprechstundenhilfe wäre, ich hätte alles versucht, sie Ihnen auszuspannen und für das Hotel zu engagieren.«
»Ich muß einen kleinen Irrtum richtigstellen, verehrter Herr Steinrück«, sagte der Doktor und griff nach Irenes Hand, »diese junge Dame, von der ich genauso angetan bin wie Sie, ist nicht meine Sprechstundenhilfe. Sie ist meine Verlobte, und wir haben die Absicht, so bald wie möglich zu heiraten.«
»Was für eine reizende Überraschung!« rief Herr Steinrück und hob die Hände, als habe er die Absicht, den Bund der jungen Leute zu segnen. »Der Direktion des Grand-Hotels wird es eine Ehre sein, Ihnen beiden das Hochzeitsmahl auszurichten — auf Hotelkosten selbstverständlich! «
»Was sagst du dazu, Liebling?«
»Ich bin überwältigt...«, murmelte Irene, die das Taxi-Erlebnis noch nicht ganz überwunden zu haben schien.
»Ich glaube, wir brauchen uns nicht zu genieren, wenn wir Ihre Einladung annehmen. Und um Sie zu beruhigen, lieber Herr Steinrück — die Feier findet im engsten Kreise statt.«
»Und wenn Sie hundert Personen einladen«, sagte Herr Steinrück und rieb sich die Hände, »ich kann es verantworten! Der Scheck des Emirs ist so hoch, daß wir das ganze Hotel neu möblieren können und uns nicht die geringsten Sorgen zu machen brauchen, wenn der Emir in den nächsten Tagen wieder von Zahnschmerzen geplagt werden sollte.«
Der Doktor griff nach der Tasche, als bekäme er ein Stichwort: »Hat man schon etwas von der Gaunerbande gehört?«
»Die Polizei tappt noch im dunkeln. Die Bande scheint sich geteilt zu haben. Eine Spur führt in die Türkei und eine andere nach Italien. Weshalb fragen Sie?«
»Mir wird der Obergauner Hassan zum Dolmetschen fehlen.«
»Haben Sie es Herrn Golling nicht gesagt, Fräulein Faber?«
»Was soll sie mir gesagt haben?«
»Daß der Emir einen neuen Dolmetscher hat.«
»So ist es«, fiel Herr Steinrück ein, »es ist mir gelungen, Herrn Kroll, einen jungen Doktoranden des Seminars für Orientalistik, als Dolmetscher zu engagieren. Wir mußten uns ja auf schwierige Verhandlungen mit dem Emir einrichten. Der junge Mann, der sich übrigens auf eine diplomatische Laufbahn vorbereitet, behauptet zwar, der Dialekt von Khoranshar sei für das Hocharabisch, das man in der Al-Azhar-Moschee und auf unseren Universitäten lehrt, etwa so schwierig zu verstehen wie Hamburger Platt für einen Niederbayern aus Rotthalmünster, aber bisher hat die Verständigung mit dem Emir mit Hilfe von Herrn Kroll recht gut geklappt.«
»Treffe ich ihn beim Emir an?«
»Herr Kroll wohnt im Hotel, denn der Emir läßt ihn nicht mehr von seiner Seite. Kennen Sie arabische Liebeslyrik?«
»Soll das eine Quiz-Frage sein? Ich habe keine Ahnung, daß es so etwas gibt.«
»Dann geht es Ihnen, wie es mir gegangen ist. Inzwischen habe ich erfahren, daß diese Gedichte ziemlich umwerfend sein müssen. Oder Herr Kroll ist eine neue Scheherazade. Denn mit Unterbrechung einer kurzen Nachtruhe lauscht der Emir mit seinem ganzen Gefolge den Versen von Abu Dschafar und Ibn Ammar und wie die Burschen sonst noch heißen mögen, die am Hof der Kalifen zu Granada die blonden Christenmädchen, den Wein und den Schweinebraten besangen...«
Der Doktor nahm die Tasche zum zweitenmal auf und ließ die Instrumente klappern: »Auf geht’s, Irenchen«, sagte er kurzentschlossen, »dann wollen wir den Emir mal ganz rauh und lieblos aus seinen Liebesträumen reißen! Haben Sie uns angemeldet, Herr Steinrück, oder wollen Sie uns begleiten?«
»Das ist bei Ihnen nicht nötig, Doktor. Der Emir erwartet Sie, und seinen Leibwächtern sind Sie und Fräulein Faber ja keine Unbekannten. Machen Sie’s gut!«, und er öffnete den Karabinerhaken der dicken Kordelschnur, die den Aufgang zu dem vom Emir belegten Stockwerk für die übrigen Hotelgäste sperrte.
Sie stiegen die breite Treppe empor. In der ersten Etage erwartete den Doktor der gleiche Anblick, den er schon einmal genossen hatte: malerische Gestalten, die in dem breiten Korridor patrouillierten, und zwei Bewaffnete, die die Doppeltür zum Salon bewachten. Der Ruf »El hakim!« wurde weitergegeben, und während einer der Trabanten die Tür zum Salon öffnete und dem Emir die Ankunft des Doktors und seiner Begleiterin meldete, unterließ es der andere nicht, die Tasche des Doktors mißtrauisch zu untersuchen. Es war der Mann, an dem
Weitere Kostenlose Bücher