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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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schließlich hervor, weil er es nicht mehr aushielt, wie sehr die Wut über diese erneute Zurückweisung in ihm kochte. „Du bist mir immer noch eine Antwort schuldig.“
    Für ein paar Sekunden starrte sie ihn einfach an, dann drehte sie sich um, ganz langsam, als hätte sie kaum Kraft – und lief davon.
    Fassunglos sah er ihr hinterher und fragte sich, was er verbrochen hatte, dass sie ihn behandelte wie einen räudigen Hund.
    Die nächsten Tage verstrichen grau in grau. Kit sagte sich, dass es das Beste wäre, wenn sie sich ihn aus dem Kopf schlug. Gerard zog sich jeden Tag nach dem Frühstück in sein Arbeitszimmer zurück und kam erst zum Abendessen wieder heraus – versteinert und verkrampft. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten war die Stimmung so gereizt, dass Kit keinen Bissen hinunterbrachte und nach einer Stunde neben dem finster dreinblickenden Gerard mit den Nerven am Ende war. Und da er der armen Colette gleich am ersten Tag barsch über den Mund gefahren war, schwieg die seitdem auch lieber höflich. Im Grunde konnte Kit es ihr auch nicht verdenken. Warum sollte sie sich als unbeteiligte Dritte da mit hineinziehen lassen, sie wusste ja nicht einmal, worum es ging. Außerdem hatte Gerard so eine schlechte Laune – er hätte jeden vergrault.
    Am Tag ihrer Rückfahrt nach Casablanca wachte Kit schon beim ersten Morgengrauen auf, blieb aber noch im Bett und beobachtete, wie die Sonne aufging. Gerard hatte ihr am Vorabend mitgeteilt, dass sie kurz nach dem Frühstück aufbrechen würden. Von Colette hatte sie sich schon verabschiedet, da diese den Tag mit ihren zukünftigen Schwiegereltern verbringen wollte.
    Energisch schwang sie die Beine aus dem Bett. Schlafen konnte sie nicht mehr, und es brachte auch nichts, weiter zu grübeln. Wenn sie sich mit dem Duschen beeilte, blieb ihr vor dem Frühstück noch Zeit, einen kleinen Spaziergang durch die Gartenanlage zu machen. Vielleicht gelang es ihr ja dort, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Als sie kurz danach das Haus verließ, lag bereits das Versprechen eines heißen Tages in der Luft. Die duftenden Schönheiten öffneten gerade ihre Blüten. Versonnen wanderte Kit durch die wundervolle Anlage. Und entdeckte mittendrin einen Pavillon und daneben einen Teich, in dem eine kleine Vogelschar ihr Morgenbad nahm.
    Der Ort lud so zum Verweilen ein – sie musste sich einfach setzen. Für einen Moment schloss sie die Augen, um die Gedanken in ihrem Kopf zu sortieren.
    Was würde sie tun, wenn sie wieder in Casablanca war? Am nächsten Tag mit dem ersten Flieger nach Hause zurückkehren? Nach Hause?
    Noch vor Kurzem hätte sie sich nichts sehnlicher gewünscht. Inzwischen aber wusste sie nicht einmal mehr, was ihr Zuhause für sie bedeutete. Wer waren David und Emma? Sie konnte sich immer noch nicht erinnern.
    Mit einem Seufzen stand sie auf und machte sich auf den Rückweg. Die augenblickliche Situation war wirklich nicht einfach. Am liebsten wollte sie gar nicht darüber nachdenken. Und den bevorstehenden Abschied von Gerard hätte sie gern ganz ausgeklammert.
    Ein durchdringender Schrei, als sie gerade auf den Pfad einbog, der an den Wohnungen der Bediensteten vorbei zum Seiteneingang des Hauses führte, riss sie aus ihren Gedanken. Angespannt und mit heftig klopfendem Herzen blieb sie stehen. Horchte. Dann heulte ein Kind auf. Und dieses Geräusch erschien Kit so vertraut, dass sich ihr die Haare sträubten. Eine Frau schrie herzzerreißend, und eine andere weinte kurz danach. Und jetzt hörte Kit einen Mann. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte, denn er sprach Arabisch, aber er klang, als würde er vor Wut toben.
    Zögernd lief sie auf das Haus zu, aus dem sie die Schreie gehört hatte. Dann, sie stand schon vor der Tür, zögerte sie plötzlich. Sollte sie sich wirklich einmischen? Eigentlich ging es sie doch gar nichts an.
    Weiter kam sie nicht mit ihren Gedanken, denn jetzt wurde die Tür aufgerissen, und Amina stürzte so schnell aus der Tür, dass sie Kit beinahe umgerannt hätte. „ Min fadlik, minfadlik“, schrie sie und packte Kit am Arm. Zeigte verzweifelt auf das Haus, aus dem immer lautere Schreie drangen.
    „Amina?“ Kit schüttelte sie leicht. „Was ist los? Ich verstehe nichts. Ist jemand verletzt?“
    „Bitte, kommen Sie.“ Völlig außer sich versuchte Amina, Kit durch die Tür zu ziehen. „Sie müssen mitkommen.“
    „Amina?“
    Die beiden Frauen fuhren herum, als sie die dunkle Stimme erkannten, und Kit atmete erleichtert auf. Gerard

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