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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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wollte.«
    Jetzt griff Slope nach seinen Karten. »Aber Helen hat gedacht, er hätte ihr Kathy zum Geburtstag mitgebracht, und hat sich an diesem Geschenk die nächsten zwölf Jahre gefreut.«
    Charles lächelte. Er selbst hatte noch nie gepokert. Sein fotografisches Gedächtnis projizierte aus einem anerkannten Fachbuch die Regeln des Pokerspiels auf die leere Tischplatte. Aber von einem Doomsday Stud mit wilden Zweiern stand nichts im Hoyle. »Für Louis muß es eine große Genugtuung gewesen sein, daß sie so gut geraten ist und daß sie sich dafür entschieden hat, auch zur Polizei zu gehen.«
    Die anderen drei sahen von ihren Karten hoch und maßen ihn mit mitleidigen Blicken.
    »Na ja, Tischmanieren hat Helen Markowitz ihrer Kathy immerhin beigebracht …« Duffy besah sich die offen aufgelegte Karte. »Ich setze einen Nickel. Aber an der Mentalität der Kleinen hat das nichts geändert. Zur Polizei ist sie gegangen, weil sie da die Chance hatte, mit Hilfe ihrer Computer interessantere Sachen zu klauen. Und das macht sie immer noch. Mit Erfolg.«
    »Genau.« Slope zündete sich eine Zigarre an und schob sein Geld in die Mitte. »Ich halte den Nickel und erhöhe um einen Dime. Durch Kathy kam Louis an alles heran, was für ihn wichtig war. Ein paarmal hatte er echt Grund, sich um seine Pension zu sorgen. Als sie den FBI-Computer geknackt hatte, hat er sich bekreuzigt. Pardon, Rabbi!«
    »Unglaublich, was sie sich alles geleistet hat.« Duffy heuchelte Unzufriedenheit mit seiner Hand und schob widerwillig seinen Dime in die Mitte.
    »Wißt ihr noch, wie Helen die Göre in der Uni zu dem Kindercomputerkurs angemeldet hat?«
    »Natürlich«, sagte der Anwalt. »Helen war selig. Endlich interessierte sich Kathy mal für etwas nicht Gesetzwidriges. Und wißt ihr noch, wie sie geweint hat, als rauskam, was die Kleine in dem Kurs gelernt hatte?«
    »Die Überweisung von der Sparkasse meinst du …« Slope gab noch einen Nickel in den Pott, als die nächste offene Karte auf die Tischfläche klatschte.
    »Genau.« Robin Duffy mußte lächeln und machte schnell wieder ein ernstes Gesicht, um sich nicht seine Hand zu verderben, die sich durch die neue Karte leicht gebessert hatte. »Kathy begriff einfach nicht, warum Helen weinte. Wer drei Wochen vor Weihnachten zwanzigtausend Dollar mehr auf dem Girokonto hat, muß sich doch eigentlich freuen, fand sie.«
    »Und dann hat sie sich gesagt«, ergänzte Rabbi Kaplan, »daß Helen als Jüdin ja vielleicht manche Dinge anders sieht …«
    In den folgenden vier Stunden erfuhr Charles, daß man Pokern nicht aus einem Buch lernen kann und daß Helen an Kathy wahre Wunder gewirkt hatte. Nach einem halben Jahr hatten Mr. und Mrs. Markowitz die Kleine zum Einkaufen mitnehmen und ihr sogar minutenlang den Rücken kehren können, weil ihre Diebereien Helen zum Weinen brachten. Helen hatte so gute Arbeit geleistet, daß Kathy überall als junge Dame hätte durchgehen können. Nur die engsten Freunde wußten, was sie wirklich war: eine geborene Diebin, abgebrüht und ohne Unrechtsbewußtsein. Und trotzdem hat Louis Markowitz von den fünf Milliarden Menschen auf dieser Erde sie am meisten geliebt.
    Nach dem Sparkassenfiasko hatten sie Kathy aus dem Computerkurs genommen. Den Übungsleiter hatte der Verlust einer so vielversprechenden Schülerin sehr bekümmert. Die Sache mit der Überweisung sei doch geregelt, sagte das blasse Männchen mit der dicken Brille, die Bank habe den Verlust überhaupt nicht bemerkt. Warum wollen Sie das Kind rausnehmen, hatte er ehrlich ratlos gefragt. Es trifft die Kleine sehr. Sehen Sie, gleich fängt sie an zu weinen …
    Wie hätte Louis diesem gütigen kleinen Mann mit der himmlischen Geduld und der sanften Stimme klarmachen sollen, daß es kein richtiges Kind war, das er an der Hand hielt? Kathy hätte man den lieben langen Tag lang mit Nadeln stechen können, ohne ihr eine Träne zu entlocken. Sie hatte keine einzige verwundbare Stelle.
    Weil ihm das Risiko zu groß war, Kathy noch einmal auf Zivilisten loszulassen, nahm Louis sie nach der Schule mit ins Büro. Dort führte er sie zu den Computerterminals. Alles Schrott, sagte er zu dem mageren kleinen Ding, das ihm damals kaum bis zum obersten Jackenknopf reichte. Wir haben keine guten Programme, keine anständige Hardware. Und das, was wir haben, ist meist kaputt, mein PC streikt auch schon wieder. Wenn du ihn in Ordnung bringst, darfst du damit spielen.
    Sie war knapp zwei Zentimeter größer, als

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