Ein Ort zum sterben
begibt. Bei Max hatte das Publikum das Gefühl, für sein Eintrittsgeld auch etwas zu bekommen. Die echte Sterbeszene habe ich nicht miterlebt, meine Eltern gingen ohne mich.«
»Und an dem Abend, als er wirklich starb, hat Edith zum letzten Mal das Haus verlassen?«
»Wie meinst du das?«
»Sie war im Saal. Hast du das nicht gewußt?«
»Nein. Hat sie dir das erzählt?«
»Ich habe ein Foto von ihr in der Zeitung gefunden. Im Archiv.«
Sein Blick war sekundenlang beunruhigend fern. Dann lächelte er.
»Meinst du nicht, du solltest dir jetzt von mir helfen lassen? Ich verstehe ja, warum du es tun mußt, auch wenn ich es nicht gern sehe, weil ich mir Sorgen um dich mache. Aber du brauchst wirklich nicht allein zu kämpfen.«
»Du meinst, daß ich Mist gebaut habe, stimmt’s? Okay ich bin vielleicht nicht so ausgefuchst wie Markowitz –«
»Deine Intelligenz steht außer Frage – auf diesem Gebiet kenne ich mich schließlich aus –, aber so eine Befähigung muß man gezielt und zweckmäßig anwenden. Deine Stärke ist das Sammeln und Analysieren von Daten. Und das Schießen – allerdings auf unbewegliche Ziele. Ob du mit einem Cop mithalten kannst, der im Laufen feuert, ist eine andere Frage. Du solltest dich auf das konzentrieren, was du am besten kannst, auf die Arbeit mit Daten nämlich, und Observierung und verdeckte Ermittlungen der Polizei überlassen.«
»Der Polizei? Coffey denkt, daß Markowitz versagt hat. Daß er sich in die Falle hat locken lassen. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, daß Markowitz die Sache voll durchschaut hat, daß er dem Verdächtigen gefolgt ist.«
»Louis ist tot. Wenn du versuchst, so zu arbeiten wie er, bist du es auch bald. Logisch – oder? Wenn du seinen Spuren folgst, fällst du früher oder später in dasselbe Loch. Du weißt nicht, wem er an jenem Tag nachgegangen ist. Du hast einen Hinweis auf die Verdächtigen gefunden, er vielleicht einen anderen …«
»Der Shadow weiß es.«
»Meinst du diese alte Hörspielserie?«
»Sie war Markowitz’ Lieblingssendung.«
»Meine Eltern haben keine Folge ausgelassen.«
»Okay, dann gehe ich zurück zu meinen Daten. Willst du mir einen Gefallen tun?«
»Schieß los!«
»Ich möchte, daß du dich ein bißchen mit Henry Cathery anfreundest. Er sitzt jeden Tag mit seinem Schachbrett im Park. Frag ihn, ob er mal eine Partie mit dir spielen möchte.«
»Ich habe nichts dagegen. Aber warum?«
»Weil du im Gegensatz zu mir etwas von Schach verstehst.«
»Warum ich, Mallory? Für verdeckte Ermittlungen bin ich nicht der richtige Mann.«
»Eben deshalb. Du wirkst so schön unverdächtig. Mich würde Cathery sofort durchschauen. Er ist smart. Du bist smarter.«
»Und wieso steht er plötzlich bei dir ganz oben auf der Liste? Ich dachte, du hättest ihn abgehakt. In der Zeitung stand, daß er ein Alibi hat.«
»Du darfst nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Er steht nicht ganz oben, aber auch nicht ganz unten auf meiner Liste. Er sitzt Tag für Tag stundenlang im Park herum, die Anwohner sind so an ihn gewöhnt, daß er für sie so selbstverständlich geworden ist wie die Büsche oder Bänke. Vermutlich war er auch da, als seine Großmutter ermordet wurde.«
»Mein Schlüssel wird nicht mehr passen. Soll ich an den Gittern rütteln und ihn bitten, mich einzulassen? Womöglich denkt er, ich will ihn interviewen.«
»Komm, jetzt übertreib nicht. Was für einen Schlüssel meinst du überhaupt?«
»Ich hab einen der Originalschlüssel, eine echte Antiquität. Moment, ich zeig ihn dir.«
Er ging rasch in seine Wohnung hinüber und kam wenig später mit einem Schmuckkästchen in der Hand zurück. Auf schwarzem Satin lag ein blinkender goldener Schlüssel.
»Der stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert. Damals waren die Parkschlüssel alle aus Gold. Diesen hier hat Onkel Max mir mal zum Geburtstag geschenkt.«
»Und wieso hatte Max einen Schlüssel zum Gramercy Park?«
»Seit hundert Jahren hat es am Gramercy Square immer mindestens einen Butler gegeben. Max hatte sich in Candle umbenannt, als er sein Elternhaus verließ oder vielmehr, als seine Eltern ihm die Tür gewiesen hatten. Nachdem er dann berühmt geworden war und man sich seiner nicht mehr zu schämen brauchte, hat sein Vater ihn wieder in sein Testament eingesetzt und ihm das Haus vermacht.«
»Er hat demnach mal am Gramercy Square gewohnt?«
»Ja. Edith und er haben das Haus etwa fünf Jahre selbst bewohnt, dann haben sie es zu einem sehr
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