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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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zusammen in Chinatown gegessen haben, hat man ihn zweimal um ein Autogramm gebeten.«
    »Und die zerstückelte Brust, die der Junge angedeutet hat?«
    »Der Junge hat eine Frau dargestellt, eine Brust angedeutet. Gaynor kann schwerlich eine blutig-zerstückelte Brust gesehen haben. Aber bewußt angelogen hat er dich sicher nicht. Je mehr Leute du in einem Raum zusammensperrst, desto mehr Energie sammelt sich dort an, und dann ist eine Massenpsychose nie auszuschließen. Die Leute reden sich alles mögliche ein, was nie passiert ist.«
    »Die alten Damen wußten alle, daß es einen Zusammenhang zwischen den Morden und den Séancen gibt, aber keine einzige hat es für nötig gehalten, mit diesem Wissen zur Polizei zu gehen. Warum nicht?«
    »Weil es, wie eine von ihnen sehr richtig sagte, sehr viel spannender ist, auf einen Mord zu warten als im Schlaf zu sterben. Du hast aber auch bei allem deine Hintergedanken …«
    »Vielleicht hatten sie vor irgendwas mehr Angst als vor dem Mörder.«
    »Vor der Polizei zum Beispiel? Siehst du in diesen Frauen so was wie eine Rentnergang?«
    Immerhin hatte Charles eine einköpfige Rentnergang in der eigenen Familie. Wie hatte Edith gesagt? Erstaunlich, was man sich alles leisten kann, wenn man alt ist … Doch das war verbotenes Terrain.
    »Es wäre doch denkbar, daß Redwing sie irgendwie unter Druck gesetzt hat. Die Frau kann wirklich was, Charles. Schade, daß du nicht dabei warst. Die Markowitz-Imitation war geradezu verdächtig gut. Er hat eine Stunde zum Sterben gebraucht. Wenn nun Redwing Gelegenheit hatte, ihn in dieser Stunde genau zu beobachten?«
    »Das hatte sie gar nicht nötig. Mit deinen Erinnerungen an Louis hast du ihr die halbe Arbeit abgenommen. Medien kalkulieren das von Anfang an ein. Ich habe die Besten ihrer Zunft beobachtet. Sie werfen einen Halbsatz in die Debatte, ihr Klient hat nichts Eiligeres zu tun, als ihn zu vervollständigen, und darauf bauen sie dann auf. Es ist eine hohe Kunst. Auch kleinste Nuancen des Gesichtsausdrucks geben willkommene Hinweise. Ein Mensch mit einer echten medialen Begabung liest in dir wie in einem Buch.«
    »Irgendwas hat sie mit dem Fall zu tun!«
    »Mag sein. Als Mordverdächtige kann ich mir Redwing allerdings nicht gut vorstellen. Es wäre nicht sehr clever, sich die Opfer ausgerechnet im eigenen Wirkungskreis zu suchen, und nach Meinung von Louis haben wir es hier doch mit einem ausgefuchsten Täter zu tun.«
    »Vielleicht hat sie uns ganz bewußt gleich zweifach in die Irre führen wollen.«
    »Soviel Raffinesse traue ich ihr nicht zu. Eine mediale Begabung ist nicht zwangsläufig mit einem hohen IQ verbunden. Redwing macht alles aus dem Bauch.«
    »Und Edith? Woher wußte sie, daß ihr Mann ausgerechnet an dem bewußten Abend sterben würde? Zufall?«
    Charles richtete sich auf. Er sah zur Seite, es war wie ein Blick in die Vergangenheit, und wandte sich dann wieder Mallory zu. »Das hat sie dir gesagt? Dann weißt du über die Einzelheiten mehr als ich.«
    »Ich habe den Fall recherchiert, Charles. Sie wußte schon Tage vorher, an welchem Abend er sterben würde, die Nachbarn haben es bestätigt.«
    »Sie kann rein zufällig den richtigen Abend erraten haben. Bei einer so riskanten Nummer mußte man jederzeit mit einem Unglück rechnen. Es war ja nicht einer dieser Tricks, bei denen der Zauberkünstler durch eine Falltür auf der Bühne in der Versenkung verschwindet. Max stieg, mit Stricken und Eisenketten gefesselt, in ein Wasserbecken. Bei der Premiere, zu der mich meine Eltern mitnahmen, lief alles nach Plan. Ich sah, wie er sich unter Wasser mit den Fesseln mühte und vor den Augen der Zuschauer allmählich freikam. Auf der Bühne stand ein riesiger Wecker, der auf die Zeit eingestellt war, die ein Mensch höchstens unter Wasser verbringen kann. Als der Wecker losging, hatte Max es noch nicht geschafft. Eine Weile hing er wie eine Wasserleiche in dem durchsichtigen Behälter. Der Wecker rasselte, das Publikum raste. Plötzlich warf er die Fesseln von sich und schnellte nach oben. Es war eine großartige Leistung. Er mußte ja Herzschlag und Atmung gewissermaßen auf Sparflamme schalten, und das geht nur mit einem ungeheuren Maß an Konzentration. Eine winzige Ablenkung – und alles ist aus.«
    »Hattest du Angst, als alle dachten, er sei ertrunken?«
    »Keine Spur! Ich hatte Max hundertmal sterben sehen. Gerade das macht ja den Reiz von Sensationsnummern aus – daß der Illusionist sich immer in Lebensgefahr

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