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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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weglief, war sie erst sechzehn.«
    »Hat er auch von seiner Arbeit erzählt? Wenn irgendein besonders prominenter Fall anstand, hätte Sie das doch sicher interessiert.«
    »Louis hat nie über Geschäftliches – ich meine nie über seine Arbeit bei der Polizei gesprochen.«
    »Sondern?«
    »Er hat von seiner Familie erzählt. Seine Frau war vor ein paar Jahren gestorben, sie fehlte ihm sehr. Er hatte eine Tochter, eine hochintelligente, bildschöne junge Frau, auf die er sehr stolz war. Als ich in der Zeitung von dem Mord las, wollte ich sie anrufen, sämtliche Markowitze im Telefonbuch habe ich angewählt, Sie glauben gar nicht, wie viele es gibt, aber ich habe sie nicht gefunden. Ein furchtbarer Schicksalsschlag für das arme Kind.«
    Mrs. Mancusis Stimme schwankte. Auch diesem Haus waren wohl Schicksalsschläge nicht fremd.
    »Brenda muß bald da sein. Tagsüber studiert sie, und abends – stellen Sie sich das vor! – tanzt sie an der Metropolitan Opera. Den Job hat Louis ihr besorgt. Nicht der Rede wert, hat er gesagt, er habe da jemanden, der ihm noch einen Gefallen schuldig sei. Wenn sie Opern mit großen Ballszenen spielen, tanzt meine Brenda mit. Wie eine Statistin beim Film. Tagsüber studiert sie Tanz an einer Ballettschule, aber das ist natürlich etwas anderes. Modernen Tanz und klassisches Ballett.«
    Mallory hörte die Haustür gehen, die junge Helen, die sich Brenda nannte, brachte einen kalten Luftzug mit ins Zimmer, Mrs. Mancusi machte sie miteinander bekannt, und Brenda ließ sich anmutig auf einem flachen Sitzkissen vor Mallory nieder. Sie lächelte schüchtern, stützte die Arme auf und legte das Kinn auf die verschlungenen Hände, unbewußte Eleganz in jeder Bewegung.
    »Ich habe ihn sehr lieb gehabt«, sagte sie mit leiser, kindlicher Stimme. »Kannten Sie ihn? War er ein Kollege?«
    »Wir waren in derselben Abteilung. Mich interessiert die Brooklyn Dancing Academy. Im Büro hat er nie darüber gesprochen.«
    »Er war ein Jahr lang jeden Dienstag da und hat für die Unterrichtsstunden bezahlt, aber er war besser als alle Lehrer zusammen. Von ihm habe ich den echten Rock ’n’ Roll aus den fünfziger Jahren gelernt. Und wenn ich mit der Arbeit fertig war, hat er mich nach Hause gebracht. Damals fand ich den Job fürchterlich. Ich hatte es so satt, alte Kerle übers Parkett zu schieben und mich gegen ihr Gegrapsche zu wehren. An dem Abend, als Markowitz zum ersten Mal kam, war ich so weit, daß ich alles hinwerfen wollte. Man sollte denken, daß ein Mann in seinem Alter – er war ja fast sechzig – beim Tanzen irgendwie albern wirkt, und schlank war er ja auch nicht gerade, aber er war toll. Einfach phantastisch.«
    Markowitz, du Tanznarr.
    Mallory schloß kurz die Augen und machte sie wieder auf, als Mrs. Mancusi ihr einen Kuchenteller in die Hand drückte und einen Becher mit Kaffee auf den Couchtisch stellte. Ehe Mallory sich bedanken konnte, war sie schon wieder in der Küche verschwunden. Brenda hantierte mit ihrer Kuchengabel.
    »Wenn er Sie nach Hause brachte, hat er da auch über seine Arbeit gesprochen?«
    »Meist sprachen wir nur von meinen Problemen. Daß es das beste für mich wäre, wieder nach Hause zu gehen und was Vernünftiges zu lernen und und und. Er hat mich so lange bearbeitet, bis ich mich in der Ballettschule angemeldet habe. Sogar das Geld fürs erste Semester hat er mir vorgestreckt. Im September habe ich angefangen.«
    »Deshalb haben Sie dann an der Brooklyn Academy aufgehört?«
    »Dazu hatten wir ihr die ganze Zeit schon geraten«, sagte Mrs. Mancusi, die mit Sahne und Zucker wieder hereingekommen war. »Aber sie wollte Louis unbedingt noch ein Geschenk von ihrem selbst verdienten Geld kaufen.«
    »Mom und Dad haben ihm das Schulgeld zurückgezahlt, das ließen sie sich nicht nehmen.« Brenda stand auf und ging zur Tür. »Ich zeig Ihnen, was ich ihm gekauft habe.«
    Mrs. Mancusi setzte sich auf die Couch und flüsterte: »Sie hofft, daß Sie es seiner Tochter geben. Für Brenda ist es sehr hart, sie hat es noch nicht verwunden. Ich eigentlich auch nicht, ich kann nicht gut mit dem Tod umgehen.«
    Brenda ging auf Mallory zu und legte ihr ein Kästchen in die Hand. Mallory öffnete es. Eine goldene Taschenuhr kam zum Vorschein.
    Mallory ließ den Deckel aufspringen. In den Boden der Uhr waren die Worte Ich hab dich lieb eingraviert, umgeben von einem Herzen, das wie von Kinderhand gezeichnet aussah. Ein Spielwerk klimperte die ersten Takte eines

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