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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Oldie-Rocks. Diese Sonderanfertigung mußte Brenda ein kleines Vermögen gekostet haben.
    »Seine alte Taschenuhr ging nicht«, sagte Brenda. »Er hatte eine Armbanduhr, aber die kaputte Taschenuhr hatte er immer dabei. Ulkig, was? Meinen Sie, die Tochter würde sie nehmen? Könnten Sie wohl dafür sorgen, daß Kathy sie bekommt? „Ware das möglich?«
    »Ich bin Kathy.«
    Brenda Mancusi stieß einen klagenden Mauzton aus und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben Mallorys Sessel auf den Boden. Sie ließ den Kopf hängen und zog mit dem Zeigefinger das verschlungene Muster des Teppichs nach, als suche sie dort vergeblich nach dem Sinn des Lebens. Entmutigt sah sie auf. »Es tut mir so leid.« Ihre Stimme brach. »Ich würde Ihnen so gern weiterhelfen, aber ich kann überhaupt nichts für Sie tun.«
    »Doch, Sie haben mir geholfen. Die Uhr ist wunderschön, sie hätte ihm sehr gefallen. Und mir gefällt sie auch. Vielen Dank. Es war schon eigentümlich, daß er immer zwei Uhren bei sich hatte. Können Sie sich im Zusammenhang mit Louis Markowitz noch an irgend etwas Ungewöhnliches erinnern?«
    »Er war ein ungewöhnlicher Mann, und ich hatte ihn sehr lieb. Wenigstens das habe ich ihm noch sagen können. Ich hätte es wohl kürzer machen sollen, vielleicht habe ich ihn in Verlegenheit gebracht. Er ist aufgestanden und hatte es plötzlich schrecklich eilig. Das war unsere letzte Begegnung.«
    Eilig? Markowitz hatte es nie eilig, er bewegte sich immer langsam und bedächtig, mit einer trotz seines Körpergewichts selbstverständlich-gemessenen Grazie. Niemals ließ er sich anmerken, daß ihm etwas unter den Nägeln brannte.
    »Haben Sie das Gespräch noch in Erinnerung? Ich weiß, es war sehr persönlich, aber vielleicht hilft es mir ein bißchen weiter. Worüber haben Sie gesprochen, ehe er so unvermittelt ging?«
    »Ich versuchte ihm klarzumachen, wie viel er mir bedeutete. Der Job in der Brooklyn Dancing Academy war lausig, aber ich hätte sonst anschaffen gehen müssen wie das Mädchen, mit dem ich zusammenwohnte. Durch die Dancing Academy hat sich mein Leben von Grund auf verändert. Zuerst habe ich dort getanzt, weil ich das Geld brauchte, dann habe ich durch ihn Spaß daran bekommen, und zum Schluß konnte ich ohne Tanz nicht mehr leben. Das habe ich ihm gesagt. Es war wie eine Fügung, sagte ich, daß wir uns begegnet sind und daß dann eins zum anderen geführt hat. Als wenn diese Begegnung der Auslöser für alles andere gewesen wäre. Und dann ist er gegangen. Ganz schnell. Können Sie damit etwas anfangen? Ich möchte Ihnen so gern helfen.«
    »Ja, durchaus …«
    Dabei hatte sie doch von Brenda nur erfahren, was sie schon wußte, womit sie bisher schon hatte arbeiten können. Nein, doch nicht ganz … Sie hatte jetzt erfahren, was Markowitz vor seinem Tod gewußt hatte. Und nun mußte sie wohl doch aufpassen, damit sie nicht in die Falle tappte, die ihm zum Verhängnis geworden war.
    »Ich hatte ihn so lieb«, sagte Brenda erschöpft, als sei sie hundert Meilen weit getanzt. Sie legte eine Hand vors Gesicht. Sie weinte.
    Mallory hatte keine Tränen.
     
    Es war eine spektakuläre Multimediaschau. Über das Videogerät in der Ecke liefen die Bilder von Louis, der mit der jungen Helen tanzte. An die weiße Wand warf sie Dias von gemetzelten alten Damen. Ströme von Blut rannen über die Leinwand und schwappten im Lichtstrahl des Projektors über Mallorys Gesicht. Klick: Opfer Nummer eins. Chuck Berry singt für das tanzende Paar. Klick: Opfer Nummer zwei. In dem harten Beat ruckt unwillkürlich Mallorys Kopf, schlägt ihr Fuß den Takt.
    Sie stellte den Recorder auf Endlosbetrieb, und das Paar durchtanzte die Nacht, ohne müde zu werden. Mallory konzentrierte sich auf die Dias, suchte nach Diskrepanzen, Ungereimtheiten. Sie mußten da sein. Markowitz hatte sie gesehen, und ihr bereiteten sie schlaflose Nächte. Was war ihr entgangen?
    Nein, so durfte sie nicht fragen, das sah sie jetzt ein. Auch sie bewegte sich, wie der tanzende Markowitz, die tanzende Helen, in einer Endlosschleife. Du darfst dich nicht an das klammern, was ich herausgefunden habe, Kleines, hätte Markowitz gemahnt. Sie hatte inzwischen mehr Material, als er je gehabt hatte.
     
    Am Himmel stand das dunkle Violett der ersten Morgenstunden vor Sonnenaufgang. Der Mann verabschiedete sich von dem Sicherheitsbeamten und trat durch die Drehtür auf die Straße.
    Kein Zweifel, er war es.
    Margot kroch aus dem kaputten Pappkarton und blieb noch

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