Ein Ort zum sterben
glänzende Spielerin, mit sechzig hat sie es dann aufgegeben. Sie hat mehr Turniere gespielt als Henry.«
»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte das weiß gepuderte Mondgesicht, »mußte Henry ihr sagen, um welche Zeit es gewesen war. Genau wußte Pearl das nämlich nicht mehr, aber dann meinte sie, ja, das müsse wohl stimmen.«
»Cathery mußte es ihr sagen?«
»Sie haben nie zu einer bestimmten Zeit gespielt. Er war jeden Tag mit seinem Reiseschach im Park, manchmal vormittags und manchmal nachmittags. Wenn dann Pearl auch gerade da war, haben sie sich auf eine Partie zusammengesetzt.«
»In ihrer Aussage steht, daß sie sich absolut sicher war.«
»Ich denke, da sind gewisse Zweifel erlaubt«, sagte die große Schlanke. »Sie wissen ja, wie das ist. Das heißt, Sie wissen es wahrscheinlich nicht. Wenn man in die Jahre kommt, wittert man immer und überall die eigene Senilität, auch wenn man nur mal die Schlüssel vergessen hat. Deshalb war es auch nicht schwer, Pearl davon zu überzeugen, daß sie zu dieser Zeit mit Henry zusammen war.«
»Seit dem Mord an Pearl«, sagte Nickekopf, »sehe ich Henry vormittags und nachmittags im Park. Vielleicht war er immer schon zweimal am Tag da, aber genau weiß ich es nicht, man gewöhnt sich so schnell an einen Anblick …«
»Eben«, bestätigte Mondgesicht. »Seine Partie mit Pearl kann er ohne weiteres auch vormittags gespielt haben.«
»Wir hatten uns aber nicht alle auf Henry eingeschossen«, sagte die Frau mit dem kleinen Kopf. »Ich hatte die Theorie, daß die Erben sich zusammengetan und einen Killerservice angeheuert haben. Vielleicht haben sie Rabatt gekriegt.«
»Natürlich haben sie Rabatt gekriegt«, sagte Nickekopf nachdrücklich. »In New York zahlt keiner den vollen Preis.«
»Und sind Sie auch für die Verschwörungstheorie?« fragte Riker die große Schlanke mit den hohen Wangenknochen.
Muß als junge Frau ’ne heiße Nummer gewesen sein, dachte er. »Glauben Sie auch, daß die Erben die Morde gemeinsam angezettelt haben?«
»Nein, ich setze voll auf Margot Siddon.«
»Margot ist in den letzten Jahren so wunderlich geworden«, sagte Mondgesicht nachdenklich. »Das hat jedenfalls Samantha immer erzählt.«
»Wunderlich? Na hör mal …« Die mit dem kleinen Kopf stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Doch wohl nicht wunderlicher als Henry, oder siehst du den als den netten amerikanischen Jungen von nebenan?«
Nickekopf hatte einige Mühe, den Kopf mal nicht von oben nach unten, sondern verneinend von rechts nach links zu bewegen. Wieder strahlte Mondgesicht den Lieutenant an. »Henry hat Anne wirklich wenig Mühe gemacht. Sie hat ihn nämlich aufgenommen, als seine Eltern starben.«
»Und hat für die Vormundschaft und als Testamentsvollstreckerin einen hübschen Batzen kassiert«, sagte Rikers Favoritin. »Im übrigen ist Henrys Vermögen zehnmal so groß wie das von Anne.«
»Hat denn Margot Siddon ein Alibi, Lieutenant?« Die blanken Augen waren erwartungsvoll auf Coffey gerichtet.
»Ja, wir haben dazu die Aussage von Mrs. Whitmans Pförtner«, sagte der. »Aber für mich sind diese Morde nicht frauentypisch.«
Mondgesicht schien gekränkt. Mit schief gelegtem Kopf sah sie die anderen an. Die lächelten nachsichtig, und die große Schlanke zuckte vielsagend die Schultern. Männer …
»Auf die Aussage von Pförtnern würde ich nicht bauen, mein Lieber«, sagte die mit dem kleinen Kopf. »Pearl und ich hatten denselben, er ist an vier von fünf Tagen volltrunken.«
»Ich habe denselben Pförtner wie Anne und Samantha«, sagte Mondgesicht. »Am Mittwoch sammelt er immer die Totozettel ein. Das war der Tag, an dem Anne umgebracht wurde, nicht?«
»Der Pförtner von Estelle ist auch mein Pförtner«, sagte Nickekopf. »Noch sehr neu und sehr jung. Für diese grünen Burschen sehen wir doch alle gleich aus.«
Coffey blickte kurz zu Riker hinüber, der bestätigend nickte. Die Pförtner waren als Zeugen nicht viel wert.
»Hatten die vier Opfer außer dem Interesse für Spiritismus noch andere Gemeinsamkeiten?«
»Samantha und Anne haben zusammen studiert, in Vassar, soviel ich weiß.«
»Estelle und Pearl waren sehr befreundet«, sagte die große Schlanke. »Sie spekulierten gemeinsam.«
»Wie bitte?«
»Sie hatten denselben Broker. Mir haben sie auch mal einen recht brauchbaren Tip gegeben.«
Coffey lächelte gönnerhaft. Riker sah ihm an, daß er an ein zusätzliches Taschengeld dachte, während diese Frauen in
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