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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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sie ihn wieder einsperren lassen, ehe er mit einundzwanzig an sein Vermögen herankam. Sein Geburtstag war zwei Wochen nach dem Tod seiner Großmutter. Interessant, nicht?«
    »Du willst diese Unterlagen doch hoffentlich nicht an Coffey weitergeben? Das wäre sehr grausam. Ich glaube nicht, daß Cathery ihm gewachsen wäre. Es geht schließlich um eine sehr private Sache.«
    »Nein, ich habe nicht die Absicht, sie Coffey zu geben.«
    »Gut.« Er musterte sie mit neu erwachter Hoffnung. Vielleicht wurde doch noch mal ein richtiger Mensch aus ihr.
    »Schließlich hat Coffey für mich ja auch nichts getan …«
    Der Summer ertönte einmal kurz und diskret, und Charles öffnete der höflichen Dr. Ramsharan die Tür. Ihr Anliegen mußte dringend sein. Sie hatte sich noch nicht umgezogen, sondern stand in gestärkter weißer Bluse und hellblauem Leinenkostüm vor ihm. Als er beiseite trat, um sie einzulassen, sah er, daß Mallory verschwunden war.
    »Geht es wieder um Herbert?«
    Sie lächelte und nickte und setzte sich in Charles’ Zimmer möglichst nah an die Tür.
    »Es tut mir leid, daß ich Sie damit behelligen muß. Wahrscheinlich hätte ich auch zu Edith gehen können, sie kennt Martin und Herbert schon so lange. Aber sie wird schließlich nicht jünger, und da ist es vielleicht auch in Ihrem Sinne, wenn man sie gar nicht mit diesem Unsinn belastet.«
    »Sehr vernünftig«, sagte Charles. »Was liegt denn an?«
    »Herbert hat definitiv eine Schußwaffe, sie zeichnet sich deutlich ab. Wußten Sie übrigens, daß er neuerdings in einer Bomberjacke herumläuft? Beängstigend, nicht?«
    »Haben Sie aus Martin inzwischen etwas herausbekommen?«
    »Sie wissen ja, wie gesprächig er ist.«
    »Hm … Schwer zu sagen, wer wen aufgestachelt hat. Vielleicht hat sich Martin die kugelsichere Weste beschafft, als er die Schrift an Ediths Wand sah, und Herbert hat nur darauf reagiert.«
    »Wer ihm von meinem Revolver erzählt hat, habe ich noch nicht herausgefunden, einige Mieter sind verreist. Ich habe die Waffe schon so lange, daß ich dachte, Herbert wüßte längst davon, zumal er sich ja auch sonst bemüht, alles in Erfahrung zu bringen, was sich hier im Haus tut. Einmal habe ich ihn beim Wühlen in den Mülltonnen erwischt.«
    »Ganz schön paranoid, was?«
    »Nein, nur ein ganz normaler Tick. Diese Aufpasser vom Dienst gibt es in jeder Gemeinschaft. Eine Schwachstelle, einen Bruch in unserer Persönlichkeit haben wir schließlich alle. Aber bei Herbert wird der Riß immer größer, und ich möchte wissen, warum.«
    Sie lehnte sich zurück und sah zur Decke hoch, als wollte sie mit ihrem Blick in Edith Candles Wohnung im dritten Stock vorstoßen. »Ich wüßte wirklich gern, was dort oben an der Wand gestanden hat.«
    »Vielleicht sollten wir doch mal mit ihr reden.«
    »Nein, das bringt nichts. Sie war wie eine Hausmutter für die Mieter, so was legt man nicht von heute auf morgen ab. Sie würde die Sache selbst regeln wollen. Am liebsten würde ich jede Begegnung zwischen Herbert und ihr unterbinden. Er steht kurz vor der Explosion. Ich kenne meine Pappenheimer.«
    Charles legte den Kopf schief und horchte auf das, was Henrietta nicht sagte: daß es gefährlich sein könnte, Edith einzuschalten. Daß Edith selbst das eigentliche Problem war. Daß Henrietta um die verwandtschaftliche Beziehung zwischen ihm und Edith wußte. Sie tanzte auf Zehenspitzen um den kritischen Punkt herum, und Spitzentanz war nicht ihre Stärke. Daß sie sich nicht auf Schliche und Listen verstand, machte sie sympathisch. Eine glatte Lüge hätte sie nie überzeugend herausgebracht, und für Halbwahrheiten war ihre Zunge nicht geläufig genug.
    Es traf ihn unvorbereitet. Er hatte sich immer eingebildet, Edith Candle genau zu kennen.
    »In Ordnung«, sagte er. »Ich spreche mit ihr darüber.«
    Henrietta stellte erleichtert lächelnd ihren Spitzentanz ein und war wieder ihr altes nüchtern-zupackendes Ich. Als er die Tür schloß und sich umdrehte, stand Mallory vor ihm. Er hatte sie nicht kommen hören. Man müßte ihr eine Schelle umhängen, dachte er.
     
    Margot legte schützend eine Hand über die Augen und schlug das Schlafzimmerfenster ein. Daß sie sich dabei die Hand zerschnitt, fiel ihr gar nicht auf. Sie legte sich auf den Boden und schlief sofort fest ein, ohne sich an dem harten Bretterboden und dem kalten Luftzug zu stören, der durch das zerbrochene Fenster wehte. Einmal drehte sie sich im Schlaf um, und das Messer mit dem

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