Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
Vom Netzwerk:
angetrockneten Blut rutschte ihr aus der Tasche und landete mit dumpfem Laut auf dem Boden. Traumlos schlief sie weiter.
     
    Riker holte die alte Dame in ihrer Wohnung am Gramercy Park ab. Zu ihren drei Séance-Schwestern hatte er Kollegen schicken müssen, da sie laut Coffey getrennt vernommen werden sollten, was seiner Meinung nach pure Zeitverschwendung war. Die Frau hüllte sich in Schweigen. Ihr Mondgesicht war eine weiß gepuderte starre Maske, die Augenbrauen waren mit zitternder Hand nachgezogen. Sie hatte nicht nach einem Anwalt verlangt, hatte aber auch nicht wissen wollen, warum er sie mitnahm. Das war immerhin so aufschlußreich, daß er sich an der nächsten Ampel eine Notiz machte. Angst, notierte er auf einer freien Seite.
    Auf dem Revier bat er einen uniformierten Kollegen, die alten Damen aus ihren separaten Verwahrräumen zu holen und zusammen ins Vernehmungszimmer zu bringen.
    »Das wird Coffey nicht recht sein«, sagte der Kollege, der sich erst seit einem Jahr rasierte.
    »Wenn’s Ärger gibt, nehme ich alles auf mich«, versprach Riker.
    Durch das Einwegglas beobachtete er die Frauen, die sich zwar noch anschwiegen, aber schon entspannter wirkten. Minutenlang wartete er mit angehaltenem Atem, dann hatte sich die Spannung gelöst. Sie fingen an, sich ganz locker zu unterhalten, und ließen sich in ihrem Gespräch auch von dem Polizisten nicht stören, der aus dem Lokal gegenüber Kaffee und Krapfen brachte. Riker grinste und ging in das Dienstzimmer von Markowitz, wo Jack Coffey ihn erwartete.
    »Sind die Séance-Damen alle da?«
    »Ja.«
    »Laß die Penworth ins Vernehmungszimmer bringen, mit der will ich anfangen.«
    »Schon geschehen.«
    Riker zählte bis drei, während der Lieutenant durch die Scheibe sah.
    »Die hocken ja alle beieinander«, sagte Coffey erbost, als Riker bei drei angekommen war. »Ich hab doch gesagt, ich will sie einzeln haben.« Was Lieutenant Coffey durch die Scheibe sah, waren vier alte Damen, die aufgekratzt an einem Tisch saßen und munter durcheinanderschwatzten.
    »In der Gruppe sind sie gesprächiger«, sagte Riker. »Bei ’ner Art Kaffeeklatsch kriegen Sie mehr aus ihnen raus.«
    »Riker, wenn ich die Anweisung gebe –«
    »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen: daß das die Masche von Markowitz war. Okay, der Alte ist nicht mehr da, und Sie sind kein Markowitz. Aber als wir die alten Damen einzeln hergebracht haben, waren sie stumm wie Fische. Jetzt sind sie wie ausgewechselt. Seit zwanzig Minuten unterhalten sie sich mit wachsender Begeisterung über Mord und Totschlag.«
    »Also meinetwegen, Riker. Stricken wir an Markowitz’ Masche weiter. Wer ist denn wer?«
    Riker, der sich auf Zoff eingestellt hatte, war fast enttäuscht. Coffey war also doch kein richtiges Arschloch. Er ordnete die Namen auf der Liste der Frau mit dem Nickekopf, der mit dem Mondgesicht, der mit dem kleinen Kopf und dem Donnerbusen und der großen, schlanken mit den hohen Wangenknochen und dem cleveren Mund zu, die seine Favoritin war.
    Als sie das Vernehmungszimmer betraten, schlug der Lärm fast über ihnen zusammen.
    »Der Tod von Anne war am spektakulärsten«, sagte die Frau, deren Kopf wie von selbst bestätigend nickte.
    Coffey übernahm das Präsidium, Riker setzte sich neben ihn und hielt sein Notizbuch bereit. Höflich warteten sie eine Gesprächspause ab, dann stellte Coffey sich vor.
    Mondgesicht legte ihm strahlend eine pummelige weiße Hand auf den Arm. »Wissen Sie, Lieutenant, zuerst haben wir gedacht, es wäre eine von uns.«
    »Ja, aber das war in der Frühphase«, sagte die Große, Schlanke. »Da war Pearl noch nicht tot.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie häufiger über diese Möglichkeit gesprochen haben?«
    Riker grinste in sein Notizbuch hinein. Coffey hatte mit dieser Aussage offenbar so seine Schwierigkeiten.
    »Von einer Séance zur anderen haben wir praktisch von nichts anderem gesprochen. Denken Sie, wir unterhalten uns über Gobelinstickerei?« fragte die in Rikers Notizbuch als »kleine Birne, große Euter« gekennzeichnete Seniorin.
    »Als Pearl starb, hatten wir dann schon andere Möglichkeiten ins Auge gefaßt«, sagte die mit dem Nickekopf.
    »Nämlich?« hakte Coffey nach.
    »Den jungen Cathery.«
    Riker blätterte in seinen Notizen. »Miss Whitman hat ausgesagt, sie habe am Nachmittag des dreißigsten Juni zwischen halb zwei und halb fünf im Park gesessen und mit ihm Schach gespielt. Klingt das plausibel?«
    »Ja. Pearl war in ihrer Jugend eine

Weitere Kostenlose Bücher