Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
auf. Sein Gesicht glühte mittlerweile vor Zorn und Scham. »In unseren Augen mag der Verkauf von Opium am Anfang ein ordentliches Gewerbe gewesen sein. Und es gibt tatsächlich Menschen, die sich darauf berufen, dass, hätten wir sie nicht von Indien aus mit Opium überschwemmt, andere in die Lücke gesprungen wären und es aus Ländern geliefert hätten, wo es ebenfalls angebaut wird. Die Franzosen und die Amerikaner zum Beispiel haben die Hände im Spiel.«
»Ist das wahr?«, fragte Rathbone, nur um sich im nächsten Moment zu wünschen, er wäre stumm geblieben. Er hätte den Premierminister nicht unterbrechen dürfen.
Gladstone blickte ihn kurz an. »Ja, aber es ist ein fadenscheiniges Argument. Die Sünde eines Menschen rechtfertigt nicht die Sünde eines anderen.«
»Und die Kriege, Sir?«, fragte Monk.
»Gegen die Chinesen natürlich«, erwiderte Gladstone. »Erst versuchten sie, uns mit gutem Zureden vom Verkauf des Opiums abzubringen, dann mit Streit, mit Handelszöllen, kurz: mit sehr wenig Diplomatie. Selbst die Gesandten der Königin wurden behandelt wie die Knechte irgendeines Vasallen, die in seinem Namen Tributzahlungen leisteten.« Er war inzwischen so empört, dass er um Worte rang. »Als die mächtigste Nation der Welt ließen wir uns eine solche Beleidigung nicht gefallen. Zornausbrüche wurden nur mit Mühe beherrscht.« Er senkte die Stimme. »Oder überhaupt nicht.«
Rathbone konnte sich das lebhaft vorstellen, blieb aber stumm.
»Es kam zu gewalttätigen Zwischenfällen«, fuhr Gladstone fort. »Einige davon waren unsäglich bestialisch, und auch wir sind nicht frei von Schuld. Andererseits halte ich es für ausgeschlossen, dass wir so tief gesunken sind, dass wir Dinge taten, die ich von den Chinesen gehört habe.« Ihn überlief ein Schauer. »Aber das ist keine Entschuldigung. Wir hatten es nicht zum ersten Mal mit Wilden zu tun und sollten nicht davon ausgehen, dass ein Mann ein von Grund auf zivilisiertes Wesen ist, nur weil er fähig ist, Dinge von erhabener Schönheit oder Segnungen wie Papier, Porzellan und auch Schießpulver mit seinen vielen Verwendungszwecken zu schaffen. Aber was immer dieser Mann sein mag, uns entbindet das nicht von unseren Pflichten vor Gott als Christen.« Sein Gesicht hatte sich vor Zorn dunkel verfärbt, und er bebte am ganzen Leib.
Rathbone sah zu Monk hinüber und bemerkte in seiner Miene Betroffenheit und auch Verwirrung. Er holte Luft, wagte dann aber nicht zu unterbrechen.
Gladstone gewann seine Selbstbeherrschung zurück und konnte fortfahren. »Die Zwischenfälle häuften sich, ja eskalierten, bis die Chinesen tonnenweise Opium beschlagnahmten. Was auch gerechtfertigt war. Manche streiten das ab, aber es ist die Wahrheit. Es war illegale Ware, die wir in ihr Land schmuggelten. Wie auch immer, unsere Flotte griff an. Die chinesischen Schiffe waren winzig und mit Waffen aus dem Mittelalter bestückt. Unsere Breitseiten versenkten sie reihenweise mit Mann und Maus, während wir selbst praktisch keine Verluste erlitten. An den Flussmündungen griffen wir ihre Festungen an und schossen Stadtmauern sturmreif, obwohl Frauen und Kinder dahinter Schutz gesucht hatten. Unsere Schiffe – wie die ›Nemesis‹, die einen Rumpf aus Stahl hatte und als Raddampfer von Wind und Gezeiten unabhängig war – erwiesen sich den ihren als in jeder Hinsicht überlegen. Einige hatten primitive Steinschlosspistolen, andere nichts als Pfeil und Bogen – Gott sei ihren Seelen gnädig. Unser Sieg war total.«
Nur langsam dämmerte Rathbone das ganze schreckliche Ausmaß dieses Krieges.
»Dreihundert Millionen Menschen!«, rief Gladstone. »Wir zwangen sie, für ihren eigenen Hafen von Kanton ein Lösegeld von sechs Millionen Silberdollar zu zahlen. Bis 1842 brachten wir Shanghai und die gesamte Mündung des Yangtse unter unsere Kontrolle und zwangen ihnen einen schmachvollen Vertrag nach dem anderen auf. Wir nahmen ihnen die Insel Hongkong weg und dazu die Häfen von Kanton, Xiamen, Amoy, Futschau, Shanghai und Mingbo und verlangten neun Millionen Dollar als Reparation für die Beschlagnahmung und Vernichtung des geschmuggelten Opiums.«
Er schüttelte den Kopf. »Aber das war noch längst nicht alles. Sie mussten zusätzliche Zugeständnisse machen. 1844 verlangten Frankreich und die Vereinigten Staaten exakt dieselben Reparationen, doch das kann uns nicht als Entschuldigung dienen. Es waren unser Krieg, unsere Waffen und unsere Gier, die diese Orgie der Gewalt
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